Gegen alte Vorurteile

Berlins Porno-Industrie zieht in den Arbeitskampf und prangert diskriminierende Gesetze an

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Porno-Industrie hat sich viel verändert in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Während die Filme größerer Produktionsfirmen schon seit Langem immer weniger Käufer*innen finden, produzieren immer mehr Darsteller*innen ihre Inhalte selbst und stellen sie über Plattformen wie Only Fans ins Internet.

Für die Arbeitsbedingungen hat das Vor-, aber auch Nachteile, wie einige Darsteller*innen am Samstag im Kreuzberger Club »SO36« erzählen. Sie nehmen das diesjährige Berliner Pornfilmfestival zum Anlass, um gemeinsam mit der Sektion Sexarbeit der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter*innenunion (FAU) Berlin über Perspektiven der gewerkschaftlichen Organisierung in der Porno-Industrie zu sprechen.

»Plattformen wie Only Fans ermöglichen es, dass Porno-Darsteller*innen ihre eigenen Filme produzieren können und direkt von den Kund*innen dafür bezahlt werden. Dadurch sind wir unabhängig von großen Studios, aber abhängig von den Plattformen und den Kreditkartenfirmen«, sagt Daisy Deep. Deep ist selbst Pornodarsteller*in und produziert eigene Filme.

Auch bei den Produktionsfirmen gebe es einige Probleme für die Darsteller*innen. Firmen, die sich Labels geben wie »ethisch« oder »feministisch«, würden diese nur bedingt umsetzen, sagt Porno-Regisseurin und -Darstellerin Lina Bembe. »Durch das Labeling als ›ethischer Porno‹ wird es viel schwieriger, die Produzent*innen zur Verantwortung zu ziehen, wenn dann doch Fehler passieren und Darsteller*innen schlecht behandelt werden«, führt die Regisseurin aus. Für Konsument*innen sei es nie möglich, allein vom Marketing der Firma oder vom Film selbst darauf zu schließen, wie die Arbeitsbedingungen in der Produktion waren.

Die größten Probleme für Porno-Darsteller*innen entsprängen einer miesen Gesetzeslage und gesellschaftlichen Stigmata, erklären die Expert*innen. Die Darsteller*innen arbeiten grundsätzlich als Selbstständige und müssen sich von Auftrag zu Auftrag oder Eigenproduktion zu Eigenproduktion durchschlagen. Es mangele an Arbeitsschutz sowie finanzieller und gesundheitlicher Absicherung.

Außerdem sei man stets damit konfrontiert, dass Teile der Gesellschaft die Arbeit als Pornodarsteller*innen – beziehungsweise die von Sexarbeiter*innen allgemein – als berufliche Tätigkeit nicht anerkennen.

Kritisiert wird auch, dass Banken immer wieder Konten schließen würden, sobald sie herausfinden, dass die Inhaber*innen als Porno-Darsteller*innen arbeiten. Paypal akzeptiere überhaupt keine Zahlungen für pornografische Produkte, so blieben oft nur die amerikanischen Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard, die über große Macht verfügten. »Warum ist das alles so illegal? Alle schauen Pornos! Das ist ein normaler Job, und wir brauchen Banken und Gesetze, die uns respektieren«, sagt Daisy Deep.

Eine schwierige Situation, die man auch durch Organisierung verbessern könnte – darin sind sich die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion im »SO36« einig. Die Sektion Sexarbeit der FAU Berlin versucht seit etwa zwei Jahren, die Organisierung im Arbeitskampf voranzubringen. »Die Probleme decken sich in vielen Punkten mit denen von allen Sexarbeiter*innen«, sagt Mercy St. James. St. James hat die FAU-Sektion mitgegründet. »Wir können rechtliche Unterstützung und gegenseitige Fürsorge anbieten und euch in Auseinandersetzungen mit Auftraggebern vertreten.«

Aktuell seien nur wenige der 20 Mitglieder der Sektion Sexarbeit in der Porno-Industrie tätig, sagen FAU-Mitglieder zu »nd«. Die Gewerkschafter*innen erklären, dass es besonders riskant für Selbstständige sei, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, weil das Risiko hoch sei, dadurch keine Aufträge mehr zu bekommen. »Es ist trotzdem möglich zu kämpfen – zum Beispiel durch kollektives Verhandeln oder durch die Unterstützung von Streiks durch Streik-Fonds«, so die Sexarbeiter*innen.

Um gegen Diskriminierung durch Banken und gegen Sexarbeiter*innen gerichtete Gesetze vorzugehen, will man sich anderen, bereits bestehenden Organisationen anschließen. »In Deutschland könnte die geplante Reformierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes die Möglichkeit geben, institutionelle Diskriminierung von Sexarbeiter*innen zu verhindern, wenn anerkannt wird, dass die Arbeiter*innen allein aufgrund ihres Berufs diskriminiert werden«, heißt es von der Sektion Sexarbeit der FAU Berlin.

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