CDU in Niedersachsen will nicht auf AfD zugehen

Unionsfraktion im niedersächsischen Landtag weist »ausgestreckte Hand« der Rechten zurück

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Ganz harmonisch hatte das allererste Zusammentreffen des neuen niedersächsischen Landtags begonnen – mit einem Gottesdienst in Hannovers Marktkirche, unweit des Parlamentsgebäudes. Mit der Harmonie war es nach dem Amen aber rasch vorbei: Die Mehrzahl der Abgeordneten konnte es nicht gut verkraften, dass es ein AfD-Abgeordneter war, der traditions- und geschäftsordnungsgemäß als ältester Parlamentarier die Einstiegsrede zur Konstituierung des Landtags hielt. Und so bekam er, der 66-jährige Jozef Rakicky, ausschließlich von seiner rechtspopulistischen Partei Applaus. Die wiederum konterte, indem sie stumm sitzen blieb, als alle anderen Parlamentarier die scheidende Landtagspräsidentin Gabriele Andretta (SPD) mit stehenden Ovationen ehrte.

Im Mittelpunkt der Tagesordnung stand die Aussprache zu der von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vorgetragenen Regierungserklärung. Darin hatte er knapp 40 Minuten lang zu allen wesentlichen Punkten des Koalitionsvertrages Stellung bezogen, wie schon am Samstag auf dem Sonderparteitag: Im Vordergrund der politischen Arbeit müsse die Bekämpfung der aktuellen Krisen stehen, betonte der Regierungschef. Ein Schwerpunkt müsse der Klimaschutz sein, hob Stephan Weil hervor, erwähnte dabei besonders die erneuerbaren Energien. Atomkraft und Fracking seien keine Antwort auf die Frage nach sicherer Energieversorgung. Die Energiepreise machten vielen Bürgerinnen und Bürgern Angst, sagte er. Der Energiepreisdeckel des Bundes, der am Jahresanfang komme, sei deswegen von eminenter Bedeutung.

»Wir werden diese Anstrengungen aus Berlin als Land wirksam ergänzen«, versprach der Ministerpräsident. Noch im laufenden Monat November werde dazu ein Nachtragshaushalt aufgelegt: »In Höhe von etwa einer Milliarde Euro – wie im Wahlkampf angekündigt.«

Sebastian Lechner, Vorsitzender der CDU-Fraktion, hielt entgegen, noch immer sei in so manchem Detail offen, wie und wann die Gaspreisbremse kommt. Weiter rügte Lechner, im Koalitionsvertrag sei von einer Verkehrswende die Rede. Dennoch könne man auch in Niedersachsen noch geraume Zeit nicht ohne Pkw und Lkw leben. »Die müssen auch irgendwo fahren«, gab der Fraktionschef zu bedenken. Aber im rot-grünen Koalitionsvertrag finde man dazu »nur Stoppschilder«.

Weils Worte in puncto Bildungspolitik kommentierte Lechner: Die Koalition wolle Oberschulen zu Gesamtschulen schleifen. Das sei das exakte Gegenteil zu der von Rot-Grün postulierten pädagogischen Freiheit. Klassen mit Tablets auszustatten, wie vom Bündnis geplant, sei nicht ausreichend, was die Digitalisierung der Schulen betreffe.

Offen zeige sich die CDU gegenüber der Zuwanderung in Niedersachsen, ließ Lechner erkennen. Doch es sei keine Hartherzigkeit, wenn Menschen, die sich trotz eindeutiger Rechtslage hartnäckig einer Rückführung verweigern, fortreisen müssten. Es gelte, klare rechtsstaatliche Grundsätze auch durchzusetzen. Das wiederum erhöhe in der Bevölkerung schließlich die Akzeptanz der Zuwanderung.

Der Polizei gegenüber pflege Rot-Grün eine Misstrauenskultur, warf Lechner der Koalition vor und verwies dabei auf die Kennzeichnungspflicht, die SPD und Grüne für Polizisten im Einsatz fordern. Der Koalitionsvertrag insgesamt, so resümierte er, werde vielfach von dem Motto geprägt: »Lieber verwalten, anstatt zu gestalten.« Und Stephan Weils Vortrag, so der CDU-Mann, sei keine Regierungserklärung, »das war ein Antrag auf Altersteilzeit«.

Grant-Hendrik Tonne, Fraktionsvorsitzender der SPD, und Anne Kura von den Grünen wiesen Lechners Anwürfe zum Teil zurück. Sie verteidigten den Vertrag und auch Stephan Weils Vortrag im Parlament.

AfD-Fraktionschef Stefan Marzischewski-Drewes, der nahezu kein gutes Haar am Koalitionsvertrag ließ, sagte in Richtung der anderen Fraktionen: »Wir sprechen mit jedem.« Auch mit der CDU, die sei heutzutage nur noch die Fata Morgana einer konservativen Partei. »Ergreifen Sie die ausgestreckte Hand der AfD«, rief der Abgeordnete der Unionsfraktion zu. Aber das wird diese nicht tun. Ihr Vorsitzender Sebastian Lechner hatte schon zu Beginn seiner Rede erklärt: »Die CDU wird niemals mit der AfD in der Opposition zusammenarbeiten.«

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