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Senat blockiert Kommission

Vergesellschaftungsinitiative fordert Bereitsstellung von Grundbuchdaten

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner Bestände von Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen sollen vergesellschaftet werden. Dafür haben im vergangenen September mehr als eine Millionen Berliner gestimmt. Bei einigen Schwergewichten wie nicht zuletzt Vonovia weiß man, dass sie Enteignungskandidaten sind. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass es durchaus Unternehmen mit einem vergesellschaftungsreifen Wohnungsbestand gibt, die bisher unbekannt sind. Um diese zu ermitteln, braucht es den Blick ins Grundbuch.

Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen kritisiert nun, dass der Senat die Grundbuchdaten der Expertenkommission, die über die Vergesellschaftung beraten soll, nicht zur Verfügung stellt. »Diese Daten nicht rauszurücken und die Arbeit der eigenen Kommission so zu sabotieren, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten«, sagt Achim Lindemann, Sprecher der Initiative. »Ohne die erforderliche Datengrundlage kann die Kommission ihrem im Koalitionsvertrag vereinbarten Auftrag de facto nicht nachkommen.«

Bereits bei der öffentlichen Anhörung im Juni appellierte Christoph Trautvetter an die Kommission, schnellstmöglich einen Untersuchungsauftrag zu erteilen, um erst einmal herauszufinden, wer überhaupt mehr als 3000 Wohnungen besitzt. Trautvetter hat als externer Projektleiter für die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung die Eigentümerstrukturen auf dem Wohnungsmarkt erforscht. Seit Mitte des Jahres arbeite die Kommission nun daran, Informationen über die großen Eigentümer der Stadt systematisch auszuwerten. Der Senat habe aber die Herausgabe der erforderlichen Daten und damit die wissenschaftliche Arbeit der Kommission blockiert, sagt Trautvetter.

Als Kompromiss sei lediglich angeboten worden, die Daten zu den bereits bekannten Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Der Senat begründe das mit »datenschutzrechtlichen Bedenken«. »Die Argumente gegen die Bereitstellung der Daten überzeugen nicht«, sagt Trautvetter. Er verweist darauf, dass in mehreren anderen Bundesländern mit gleicher oder ähnlicher Rechtsgrundlage solche Informationen für wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung gestellt würden.

In seiner amtlichen Kostenschätzung ging der Senat 2019 davon aus, dass zehn Unternehmen jeweils über 3000 Wohnungen besitzen. Insgesamt bezifferte er die gemeinsamen Bestände auf etwas mehr als 240 000 Wohnungen. Das sei nur ein »Mindestumfang«, hieß es. Die »Identifizierung weiterer Unternehmen« sei nur »aufgrund gesetzlich begründeter Grundbuch- und Registerauswertungen möglich«.

Indes fordert auch der Berliner Mieterverein den Senat dazu auf, die Arbeit der Kommission zu unterstützen. »Wir sind gern bereit, bei juristischen Bedenken zu einer Lösungssuche beizutragen«, bietet Geschäftsführerin Ulrike Hamann an.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Senatsverwaltung für Justiz spielen sich derweil den Ball gegenseitig zu. Bei ersterer verweist man darauf, dass die Zuständigkeit für das Grundbuch bei der Senatsverwaltung für Justiz liegt. Dort wiederum heißt es, dass die von der Expertenkommission erbetenen Informationen aus »rechtlichen Gründen« nicht aus dem Grundbuch erlangt werden können. »Die in Rede stehenden Informationen können aus dem Liegenschaftskataster entnommen werden. Dies ist der Kommission mitgeteilt worden«, heißt es von Pressesprecherin Jana Neskovic. Für das Liegenschaftskataster wiederum zuständig ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Achim Lindemann von Deutsche Wohnen und Co enteignen fordert, dass beide Stellen die Verantwortung nicht länger auf den jeweils anderen abwälzen. »Es wird Zeit, dass der Senat aufhört, seine schützende Hand über die Großkonzerne zu halten«, so Lindemann.

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