Heimholung der Chip-Produktion

Die USA wollen mit Milliardenförderung wieder zum Hightech-Standort werden, doch es bleiben viele Fragezeichen

Bei der symbolischen Gründung einer geplanten Chip-Fabrik nördlich von Phoenix im Bundesstaat Arizona geben sich an diesem Dienstag die Spitzen von Politik und Wirtschaft der USA ein Stelldichein. Präsident Joe Biden wird zusammen mit seiner Handelsministerin Gina Raimondo eintreffen. Auch Apple-Chef Tim Cook sowie der Gründer des taiwanesischen Chip-Auftragsfertigers Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC), Morris Chang, sind dabei, wenn das erste Produktionsequipment in die geplante Zwölf-Milliarden-Dollar-Fabrik eingeführt wird. Die wichtigsten Gebäude sind seit Ende August fertig, werden nun mit Maschinen bestückt. Die Produktion soll Anfang 2024 starten.

Die Gästeliste unterstreicht die zentrale Rolle der Chip-Produktion sowohl für die US-Wirtschaft, aber auch für die China-Politik – in einer Zeit, wo die Unabhängigkeit Taiwans als bedroht gilt. Präsident Biden will die Chip-Herstellung, die derzeit vor allem in China und Taiwan stattfindet, in die USA zurückverlagern. Analysten erwarten eine Verdoppelung des globalen Marktes im nächsten Jahrzehnt auf eine Billion US-Dollar jährlich. Chips werden in Smartphones, Autos, medizinischen oder militärischen Geräten benötigt. TSMC ist drittgrößter Halbleiterhersteller und die Nummer eins unter den Auftragsfertigern, unter anderem für Apple. Das sorgt auch für Interesse an der Börse: Vor rund zwei Wochen stieg der Großinvestor Warren Buffett mit einem Milliardenbetrag bei TSMC ein, seither ist der Aktienkurs an der Wall Street um weitere acht Prozent gestiegen.

Größte Herausforderung wird sein, ob die Chips aus Phoenix Großabnehmer finden. Apple hatte sich zwar Mitte November dazu bekannt, Chips aus US-amerikanischer (sowie europäischer) Produktion einkaufen zu wollen. Aber Konzernchef Cook dringt darauf, dass TSMC in Phoenix leistungsstärkere Halbleiter herstellt als bisher angekündigt. Ursprünglich hatte TSMC lediglich die Produktion von 20 000 Wafern pro Monat mit Fünf-Nanometer-Strukturen ab 2024 versprochen. Nun ist vom Vier-Nanometer-Verfahren die Rede. Doch das reicht Apple noch nicht – der iPhone-Hersteller möchte in nicht allzu ferner Zukunft auf Drei-Nanometer-Prozessoren umsteigen. Vor einigen Tagen gab TSMC bekannt, dass man eine zweite Fabrik in Phoenix plane, in der diese produziert werden könnten. Laut Bloomberg ist über die Investition aber noch nicht entschieden. Beobachter mutmaßen, die Firma wolle die modernsten Verfahrensweisen und den Löwenanteil der Produktion in Taiwan belassen.

Vor allem wegen der Engpässe bei Chips im Zuge der Corona-Pandemie und der Abhängigkeit von China schwört Präsident Biden sein Land auf Autonomie in der Produktion ein. Er konnte bereits im August den »Chips and Science Act« mit überparteilicher Unterstützung unterschreiben. Dadurch wird Washington schon ab kommendem Jahr 53 Milliarden Dollar in die »Heimholung« der Chip-Herstellung investieren. Weitere Fabriken sind von Samsung in Taylor bei Austin (Texas), von Microm im Bundesstaat New York sowie von Intel in Columbus (Ohio) und ebenfalls in Arizona geplant.

Trotz breiter Unterstützung im Kongress gibt es aber auch Kritik an Bidens Politik. Wirtschaftsliberale vermuten, dass die technologische Entwicklung vernachlässigt wird, wie die Nachverhandlungen von Apple bei TSMC zeigen. Linksliberale Politiker wie die Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren reden von »Wohlfahrtsstaatsmaßnahmen für Großfirmen«: Milliardensubventionen für hochprofitable Wirtschaftszweige dürften nicht die Sache der US-Regierung sein. Doch die Mainstream-Politik sieht die Chip-Produktion auch als Sicherheitspolitik: Der Analyst James Lewis rechnete vor, dass eine Fabrik zwar so viel wie drei Flugzeugträger koste, aber für die USA gerade mit Blick auf eine mögliche Invasion Chinas in Taiwan wichtiger sei.

Experten warnen indes, dass die Verlagerung dem Wechsel des Flugzeugmotors im Flug gleiche. Ohne den taiwanischen und chinesischen Beitrag wäre Apples Welterfolg kaum möglich gewesen. TSMC ist als Chip-Auftragshersteller unersetzlich. Die ebenfalls taiwanische Firma Foxconn konnte in Zhengzhou (China) auch dank eines dichten Netzes an Ingenieuren und Zulieferern die hochzentralisierte Produktion von Apples wichtigsten Produkten in einer riesigen Fabrik stemmen, und das zu niedrigen Kosten: Die rund 300 000 Arbeiter arbeiten hier für teilweise nur fünf Dollar Stundenlohn. Nach den Aufständen und der regelrechten Flucht der Foxconn-Arbeiter wegen Corona-Auflagen im vergangenen Monat sieht sich Apple gezwungen zu diversifizieren.

Ohne massive staatliche Förderung würde es mit Bidens ersehntem Wandel nichts werden. TSMC will in Arizona auch nur eine Art verlängerte Werkbank aufbauen. Nach der von den USA gewünschten parallelen Technologieentwicklung in Asien und den USA sieht es bisher nicht aus. Und wie Bloomberg berichtet, will das taiwanische Unternehmen die Produktion auch nach Japan und Singapur verlagern. Betreibt die US-Regierung also nur
innenpolitische Symbolpolitik?

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