Motorboote schlagen zu hohe Wellen

Berliner Ruderer, Kanuten und Segler sammeln 3500 Unterschriften für schärfere Kontrollen der Polizei

Auch auf den Berliner Wasserstraßen wird gerast, obwohl dort genauso Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten wie im Straßenverkehr. So erwischte die Wasserschutzpolizei Ende August einen Bootsführer, der mit 68 Kilometern pro Stunde an einer Stelle unterwegs war, an der nur 14 zulässig sind. Etwa 6500 Boote haben die 183 Kolleginnen und Kollegen von Wasserschutzpolizist René Behrendt in diesem Jahr in der Hauptstadt kontrolliert. Mehr Personal wäre natürlich nie verkehrt, sagt Behrendt. Im Jahr 2008 gab es noch 231 Wasserschutzpolizisten, doch dann wurden Stellen eingespart. Laut Behrendt werden die Dienstpläne so aufgestellt, dass die Streifenboote vor allem nachmittags und abends präsent sind, wenn auf den 60 Quadratkilometern Wasserfläche in Berlin besonders viel los ist.

Der Verkehr hat zuletzt stark zugenommen. Vor allem der Tourismus boomt mit der Vermietung von Yachten und Partyflößen. Bei den 33 im Berliner Motoryachtverband organisierten 33 Vereinen sind die Mitgliederzahlen dagegen ausgebremst. Denn die Kapazitäten seien jetzt ausgeschöpft, es gebe auch keine freien Liegeplätze mehr, sagt Verbandspräsident Winfried Severin. Ihm zufolge haben die Vereine mitunter 60 bis 70 Interessierte auf ihren Wartelisten.

Dann sind da noch die Ruderer, die Kanuten und so weiter. Immerhin das: Die Zahl der gemeldeten Schiffsunfälle hat auch im laufenden Jahr nicht zugenommen. Mit 59 im Osten und 63 im Westen der Stadt bewege man sich seit 2019 auf dem ungefähr gleichen Niveau, berichtet René Behrendt.

Dabei gibt es auf Berlins Gewässern eine so hohe Verkehrsdichte wie wohl nirgendwo anders in Deutschland, vermutet Verbandspräsident Severin. Das Problem: »Es sind zu viele Personen auf dem Wasser, die sich mit den Verkehrsregeln nicht auskennen.« Oft weisen Vermieter von Booten ihre Kundinnen und Kunden nicht richtig ein. Seit 2012 ist für Motorboote mit bis zu 15 PS kein Führerschein mehr erforderlich. Ein leichtes Gummiboot schafft mit einem 15 PS starken Motor jedoch durchaus 40 Stundenkilometer. Auf dem Wasser ist das schon ein höllisches Tempo.

Bis 2012 war ein Führerschein bundesweit ab 5 PS erforderlich. Severin hätte nichts dagegen, wenn es wieder so wäre. Doch auch dann müssten alle die Regeln kennen. Fahrgastschiffe haben wie der gesamte Berufsverkehr auf dem Wasser grundsätzlich Vorrang. Auch Fähren ist die Vorfahrt zu gewähren. Dann kommen die Segelboote und erst danach die anderen.

Severins eigene Yacht liegt an der Regattastrecke von Grünau. Dort galt früher ein Tempolimit von sieben Kilometern pro Stunde. Jetzt stehe da ein Schild mit dem Hinweis, Sogwirkung und Wellenschlag zu vermeiden. Doch das werde sehr unterschiedlich interpretiert. Ein Tempolimit wäre eindeutiger, sagt der Verbandspräsident.

Für diese Ansagen ist Jörn Klare von der Treptower Rudergemeinschaft dankbar. Die Gemeinschaft hat Ruder-, Kanu- und Segelvereine angeschrieben und 3500 Unterschriften für eine Petition an das Abgeordnetenhaus zusammengebracht. Rund 60 Ruder-, 60 Kanu- und mehr als 100 Segelvereine gibt es in der Hauptstadt. Die Petition fordert, die Führerscheinfreiheit für Motorboote in Berlin wieder auf 5 PS herabzusetzen, deutlich mehr Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei und zwei motorbootfreie Sonntage im Jahr.

Warum das so sein soll, hatte Klare am vergangenen Freitag bei einer Anhörung im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses erläutert. Rudersportboote seien »hochfiligran«, der Einer zum Beispiel sieben Meter lang, aber nur 20 Kilogramm schwer. In so einem schmalen Gefährt die Balance zu halten, sei bereits bei geringem Wellenschlag eine Herausforderung. Bei höheren Wellen, wie sie von zügig fahrenden Motorbooten ausgehen, könnten insbesondere ungeübte Anfänger kentern. Im Winter mit kaltem Wasser bestehe dann Lebensgefahr.

Es sei nicht die Mehrheit, aber eine zu große Minderheit, die die Regeln nicht kenne. Das mache den Ruderern schlichtweg Angst. »Das ist kein Spaß. Da haben sie irgendwann keine Lust mehr, diesen Sport zu treiben«, sagt Klare. Rudern am Sonntag sei in Berlin Stress. Dann schwappe Wasser ins Boot, das deshalb untergehen kann. Nach Sonnenaufgang lasse sich immer noch gut rudern, doch dies sei vielen Vereinsmitgliedern aus beruflichen oder familiären Gründen nicht möglich.

»Ich sympathisiere sehr stark mit ihrer Petition«, sagt der Grünen-Abgeordnete Werner Graf im Sportausschuss zu Klare. Aber könne das Land Berlin bei der 5-PS-Regel überhaupt etwas anders beschließen als bundesweit gelte, möchte Graf wissen. »Ich finde die Petition auch sehr sympathisch«, versichert die sportpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Claudia Engelmann. Doch ließe sich die Zahl der Touristenboote irgendwie eindämmen? Kurzum: Fragen über Fragen.

Wasserschutzpolizist René Behrendt sagt leicht spöttisch, dass man wohl »an die Weltordnung pochen« würde, wenn man sich in die Kompetenzen des Bundes einmischt. Außerdem: »Nach unserem Dafürhalten ist genug Platz auf dem Wasser da.« Auch müsse man sich die Frage stellen, wie die Zahl der gemieteten Boote beschränkt werden soll, von denen schließlich viele über Havel und Spree aus Brandenburg nach Berlin hereinkommen? Etwa an der Stadtgrenze Zollstellen einrichten und ab einer bestimmten Zahl niemanden mehr durchlassen? Aus Sicht von Behrendt ein undurchführbarer Plan.

Was Verkehrsrowdys betrifft, die von der Wasserschutzpolizei erst einmal eingeholt werden müssen, gibt es gleichwohl gute Nachrichten. Vor gut zwei Monaten wurde den Ordnungshütern ihr drittes und vorerst letztes etwas schnelleres Streifenboot geliefert. Im kommenden Jahr sollen noch wendige Jetbikes angeschafft werden. Auf längere Sicht brauche es aber neue Streifenboote, da die Flotte bisher aus bis zu 60 Jahre alten Booten besteht. Die neuen sollen dann für die kommenden 35 Jahre reichen. Sie werden deshalb zwar noch mit Dieselantrieb bestellt, aber so projektiert, dass eine spätere Umrüstung auf Elektromotoren leicht zu bewerkstelligen wäre.

Solche Boote gebe es »nicht von der Stange« zu kaufen, sagt René Behrendt. 2,5 Millionen Euro pro Stück werden sie sicher kosten, vielleicht in ein paar Jahren auch mehr. »Das ist eine Menge Geld.« Die modernen Typen schlagen dann aber auch nicht mehr so hohe Wellen wie die jetzigen, die schon bei ruhiger Fahrt die Ruderer durchaus in Schwierigkeiten bringen können – und das möchte die Polizei schließlich nicht.

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