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263.000 Menschen ohne festen Wohnsitz

Bundesregierung legt ersten Wohnungslosenbericht vor

Wohnungslosigkeit ist nur selten sichtbar.
Wohnungslosigkeit ist nur selten sichtbar.

Wenn ein Problem in Ausmaß und Struktur nicht erfasst wird, ist der Kampf dagegen zwecklos. Das soll sich in Bezug auf die Not von Menschen ohne eigene Wohnung nun ändern. Über eine Viertelmillion, rund 263 000 Menschen, sind hierzulande wohnungslos. Das geht aus dem am Donnerstag vom Bundessozialministerium veröffentlichten ersten Wohnungslosenbericht hervor.

Grundlage für den neuen Bericht ist das im Jahr 2020 in Kraft getretene Wohnungslosenberichterstattungsgesetz. Dieses besagt, dass die Bundesregierung alle zwei Jahre in einer bundesweiten Berichterstattung das Ausmaß und die Struktur von Wohnungslosigkeit in Deutschland erfassen muss. Das Ziel dabei ist, die Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden. Das ist eine Forderung des EU-Parlaments, die Ampel-Parteien haben das Ziel in ihren Koalitionsvertrag mit aufgenommen.

Laut dem Bericht teilt sich die Wohnungslosigkeit in verschiedene Kategorien auf. Demnach leben 37 400 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße. Neben dem Leben auf der Straße zählt auch das langfristige oder dauerhafte Wohnen in Zelten oder Pkw, Abbruchhäusern oder Garagen dazu. »Mit dem heutigen Bericht wird erstmals ein gesamtdeutscher Überblick über die Situation wohnungsloser Menschen vorgelegt. Die Menschen ohne Obdach, denen wir im Alltag im öffentlichen Raum begegnen, sind nur die Spitze des Eisbergs«, erläuterte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Donnerstag.

49 300 Menschen sind laut dem Bericht verdeckt wohnungslos, kommen also vorübergehend bei Bekannten oder Familienangehörigen unter. Sie schlafen zwar in festen Wohngebäuden mit Zugang zu sanitären Einrichtungen, jedoch ohne eigenen Mietvertrag und daher in Abhängigkeitsverhältnissen. Auch sie sind häufig von Ausbeutung und Missbruch betroffen. Darüber hinaus sind sie, wie Obdachlose, durch das Fehlen eines eigenen festen Wohnraums bei der Teilhabe an Bildung, politischer Partizipation, Erwerbsarbeit und Sozialleben beeinträchtigt. 178 100 Menschen waren zum Stichtag Ende Januar 2022 institutionell untergebracht. Zusätzlich sind rund 6600 Kinder und Jugendliche in Deutschland wohnungslos. Von diesen leben rund 1100 gemeinsam mit ihren Eltern oder einem Elternteil auf der Straße und 5500 in verdeckter Wohnungslosigkeit. Werden mögliche Doppelerfassungen berücksichtigt, ergibt sich die Zahl von insgesamt knapp 263 000 Betroffenen. Der Bericht erhebt jedoch auf Grund der schwierigen Erfassung keinen Anspruch auf eine Gesamtschau.

Knapp zwei Drittel der Wohnungslosen sind dem Bericht zufolge männlich, gut ein Drittel weiblich und zwei Prozent divers, oder es lagen keine Angaben vor. Im Schnitt sind wohnungslose Menschen ohne Unterkunft mit 44 Jahren deutlich älter als untergebrachte oder verdeckt Wohnungslose mit 32 beziehungsweise 35 Jahren. Auch Daten zur Staatsangehörigkeit legte die Bundesregierung vor: Demnach haben über zwei Drittel der Wohnungslosen ohne Unterkunft und drei Viertel der verdeckt Wohnungslosen die deutsche Staatsangehörigkeit. Insgesamt 29 Prozent der wohnungslosen Menschen haben eine andere Staatsbürgerschaft oder werden als staatenlos eingestuft.

Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind vielschichtig. Nicht wenige hatten noch nie eine eigene Wohnung. Von denen, die zuvor eine Wohnung besaßen, hat diese fast die Hälfte ausschließlich oder auch aufgrund von Mietschulden verloren. Als weitere Gründe für den Wohnungsverlust wurden Inhaftierung (neun Prozent) genannt, gefolgt von Trennung und Scheidung (acht Prozent), mietwidriges Verhalten und Nachbarschaftskonflikte (je fünf Prozent). Zu weiteren, seltener genannten Gründen zählen familiäre oder persönliche Gründe, Krankheit, Jobverlust, häusliche Gewalt oder Abriss, Sanierung und Wohnungsmängel.

Über die Hälfte der wohnungslosen Menschen hat sich erfolglos um Hilfe bemüht, um den
Wohnungsverlust abzuwenden. Jeweils ein gutes Drittel hat das Jobcenter, die Stadt oder eine Beratungsstelle um Hilfe gebeten. Fast ein Viertel hat erfolglos versucht, mit den Vermietern zu verhandeln, und 16 Prozent wollten sich Geld leihen. »Unser Sozialstaat ist mit umfangreichen Hilfen für alle Menschen da, die sich in einer Notlage befinden«, so Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) zum Wohnungslosenbericht. »Trotzdem gibt es Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keine eigene Wohnung haben. Mit den jetzt vorliegenden Daten schärfen wir den Blick des Sozialstaates auf dieses Thema und tragen zu zielgenauen Hilfen gegen Wohnungslosigkeit bei.«

Das Leben ohne eigene Unterkunft ist auch von gesundheitlichen Problemen geprägt. Der Erhebung zufolge geben 31 Prozent der verdeckten Wohnungslosen ihren Gesundheitszustand mit »weniger gut« oder »schlecht« an, bei den Wohnungslosen ohne Unterkunft sind es 40 Prozent. Insgesamt sind sie häufiger von Sucht- sowie von körperlichen und psychischen Erkrankungen betroffen als Menschen mit eigenem Obdach.

»Wenn die Ampelkoalition jetzt nicht schnell handelt, wird sie an ihren eigenen Ansprüchen, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden, garantiert scheitern«, stellte Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland am Donnerstag fest. Der Wohnungslosenbericht liefere wichtige Erkenntnisse. Allerdings sei die Dunkelziffer noch um einiges höher: »Es werden nicht alle Wohnungslose aus den genannten Gruppen erfasst und andere werden nicht als wohnungslos gezählt, die es aber sind: Frauen in Frauenhäusern, Menschen in Haftanstalten oder geflüchtete Menschen mit anerkanntem Bleiberecht, die in Asylbewerberunterkünften wohnen müssen, weil sie keine eigene Wohnung finden«, so Loheide.

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