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Rettungsplan vermutlich unvollständig

Gesundheitsminister von Bund und Ländern wagen sich an eine Krankenhausreform

Jetzt geht es zur Sache: An diesem Donnerstag endlich will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbauch (SPD) mit seinen Kollegen aus den Bundesländern über die anstehende Krankenhausreform beraten. Das Thema ist lange überfällig und wurde durch die Corona-Pandemie nur noch einmal hinausgeschoben. Ein Teil der Kliniken kam kurzfristig im ersten Pandemiejahr mit einer Entlastung durch die Krise, aktuell häufen sich wieder die Hiobsbotschaften: Insolvenzen drohen, 60 Prozent der Krankenhäuser erwarten für 2022 »tiefrote« Zahlen. Unter anderem Energie- und andere Beschaffungskosten steigen schneller als staatlich festgelegte Erlöse.

Wenig überraschend hat die Lobbyorganisation der Kliniken, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), schon im Vorfeld ihre Forderung nach mehr Geld angemeldet und sagt ansonsten einen neuen Höhepunkt beim Kliniksterben in diesem Jahr voraus. Die von einer Expertenkommission erstellten Reformpläne basierten »auf einer falschen Grundprämisse«, so DKG-Vorstand Gerald Gaß, denn laut diesen sollten die aktuell verfügbaren Mittel nur umverteilt werden.

Besagte Regierungskommission unterbreitete einen Vorschlag dazu, wie die Fallpauschalen ergänzt werden könnten: Die Krankenhäuser sollten künftig zusätzlich nach drei neuen Kriterien vergütet werden. Diese sind Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Zum Stichwort Vorhaltung bedeutet das, dass feste Beträge für Personal, für eine Notaufnahme oder notwendige Medizintechnik fließen sollen, unabhängig davon, ob diese ständig gebraucht werden. Wichtiger wird es, dass diese Ressourcen ständig bereitstehen und die Kosten dafür nicht in den Kliniken durch Umverteilung von Erlösen gestemmt werden müssen.

Für deutlich mehr Unruhe dürfte die Umsetzung eines weiteren Vorschlags sorgen: Demnach sollen die Krankenhäuser in drei Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden. Kliniken der Grundversorgung sind für »einfache« chirurgische Eingriffe und Notfälle zuständig. Einer weiteren Gruppe wird die »Regel- und Schwerpunktversorgung« zugeordnet. Universitätskliniken gehören zur dritten Gruppe der Maximalversorger.

Schwierig werden könnte es, die erste Gruppe genügend auszustatten und in ausreichender Dichte in allen Regionen vorzuhalten. Für diese Häuser, die aktuell schon am ehesten zu den Schließungskandidaten gehören, dürfte es auch in Zukunft problematisch sein, Personal zu gewinnen und zu halten. Denn wenn bestimmte Eingriffe zu selten vorgenommen werden, ist das nicht einfach eine Erholungspause für das medizinische Fachpersonal. Vor allem Ärzten fehlt es dann bald an ausreichender Erfahrung, um in kleineren Fachgebieten genügend Praxis zu haben und voranzukommen.

Insgesamt müsste die Krankenhausreform sich auch mit Fragen der Planung befassen, die in den Bundesländern ganz unterschiedlich gehandhabt wird, von Laufenlassen bis hin zur Unterstützung von Kooperationsverbünden. Die teilweise Zurückhaltung der Länder bei diesem Thema hat auch mit deren anhaltender Untererfüllung in Sachen Investitionskosten der Krankenhäuser zu tun. Diese Säule der Klinikfinanzierung bereitet seit Jahren Probleme. Bislang hat keine Bundesregierung den Mumm gehabt, hier entweder durchzugreifen oder ein anderes Modell zu entwickeln. So bleiben die Häuser in allen Bundesländern auf einem großen Teil ihrer nötigen Investitionskosten sitzen – mit den bekannten Auswirkungen, etwa der Auspressung und Ausdünnung des Personals.

Die Länderminister ahnen bereits, dass mit den Vorschlägen ihre Rechte eingeschränkt werden könnten: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) malte bereits das Gespenst zentralistischer Planung an die Wand. Die Vorgaben könnten zu detailliert sein, befürchtet nicht nur der bayerische Politiker; mehr Geld fordert er trotzdem, ironischerweise für die Betriebskosten, und zwar in Milliardenhöhe. Schon an diesem Diskussionsbeitrag zeigt sich das Dilemma, dass die Gesamtkosten und alle Finanzquellen des Bereichs nicht zusammen und kritisch betrachtet werden.

Einen größeren Schritt in Sachen Reform schlägt etwa der Sozialverband VdK vor, und zwar mit einer vollständigen Abkehr von jeder Gewinnorientierung und der Aufgabe der Fallpauschalen. Ähnlich sieht es ein Bündnis von neun Initiativen, darunter der Zusammenschluss Krankenhaus statt Fabrik. Aus deren Sicht sollte eine tatsächliche Reform eine Gemeinwohlorientierung des Sektors und ein Gewinnverbot umfassen. Alle Bereiche im Krankenhaus müssten verbindliche Personalschlüssel erhalten. Planung und Steuerung sollten demokratisiert werden. Davon scheint der aktuelle Ansatz des Bundesgesundheitsministeriums himmelweit entfernt. Das Reformvorhaben könnte sich somit auf organisatorische Neuerungen reduzieren, Grundprobleme wie ausreichende Finanzierung und realistische Bedarfsbestimmung aus Sicht der Patienten aber weiter ignorieren.

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