Gehaltsverhandlung im Höhenflug

Die diesen Freitag beginnenden Tarifverhandlungen bei der Post könnten konfliktreich werden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Zustellstützpunkt der Post in Baden-Württemberg
Ein Zustellstützpunkt der Post in Baden-Württemberg

Ihren Weihnachtsstau hat die Deutsche Post mittlerweile abgearbeitet. Trotz des Ausfalls vieler Postangestellten durch die bundesweite Erkältungswelle wurden Briefe und Pakete meistens pünktlich zum Fest zugestellt. Doch nun droht der börsennotierten Aktiengesellschaft aus Bonn neues Ungemach, denn die Tarifforderungen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi haben es in sich.

Vorausgegangen war eine Mitgliederbefragung in den Betrieben der Deutschen Post seit Oktober. An dieser Befragung haben sich laut Verdi bundesweit über 43 000 Mitglieder beteiligt, so viele wie noch nie. Im Anschluss wurden die Ergebnisse ausgewertet und die Tarifforderung für die diesen Freitag beginnenden Verhandlungen wurde beschlossen: Verdi fordert für die rund 160 000 Tarifbeschäftigten eine Lohnerhöhung von 15 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Ausbildungsvergütungen sollen in jedem Ausbildungsjahr um 200 Euro im Monat erhöht werden.

Die Tarifkommission von Verdi begründet ihre im Vergleich etwa zum öffentlichen Dienst hohen Forderungen mit den Belastungen »durch die extrem angestiegene Inflation«. So wurden zwar am 1. Januar des vergangenen Jahres die Tarifentgelte bei der Deutschen Post um zwei Prozent angehoben. Aber diese Tariferhöhung sei aufgrund der zuletzt auf rund zehn Prozent gestiegenen Inflation verpufft, so die Kommission. Zudem fordert Verdi eine »Teilhabe am Unternehmenserfolg«. Die Forderungen seien »notwendig, gerecht, machbar«. Dagegen bezeichnet das Unternehmen die Vorschläge der Gewerkschaft als »realitätsfern«, sodass schwierige Verhandlungen mit begleitenden Warnstreiks zu erwarten sind.

In diesem Tarifjahr wird nach Zählung des gewerkschaftsnahen WSI-Tarifarchivs für rund elf Millionen Beschäftigte verhandelt, zehn Millionen waren es im Jahr 2022. Nachdem die großen Industriebranchen Metall

und Chemie ihre Verträge unterschrieben haben, folgen der öffentliche Dienst von Bund und Kommunen sowie die einstigen Staatsunternehmen Bahn und Post. Später im Jahr wird im Handel und für die Beschäftigten der Länder sowie weitere kleinere Branchen verhandelt. Das zentrale Thema ist stets das gleiche: »Angesichts der hohen Inflationsraten stehen die kommenden Tarifverhandlungen ganz im Zeichen der Kaufkraftsicherung«, sagt der Leiter des Tarifarchivs, Thorsten Schulten.

Im Jahr 2021 war die sonst eher stetige Entwicklung der Tarifgehälter in der Corona-Flaute zum Stehen gekommen. Die vergleichsweise geringen Zuwächse wurden gleichzeitig von der steigenden Inflation aufgefressen, sodass unterm Strich deutliche Reallohnverluste stehen. Im dritten Quartal 2022 mussten die Beschäftigten einen preisbereinigten Verdienstrückgang von 5,7 Prozent verkraften.

Doch die Bundesbank registriert bereits seit dem Frühjahr 2022 höhere Lohnabschlüsse, die mit fünf bis sechs Prozent deutlich über den langjährigen Werten liegen, die selten drei Prozent überschritten. Die IG Metall war zuletzt mit der Forderung nach acht Prozent mehr Geld für die vier Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in den Arbeitskampf gezogen. Im Pilotbezirk Baden-Württemberg einigte man sich dann auf eine Lohnsteigerung von 5,2 Prozent zum Juni 2023 und weiteren 3,3 Prozent ab Mai 2024, bei einer Laufzeit von 24 Monaten.

Mit vorab vom Staat steuer- und abgabenfrei geleisteten Einmalzahlungen versuchen Politik, Gewerkschaften und Unternehmensverbände zudem, die möglicherweise preistreibende Wirkung stark steigender Löhne abzumildern. Die Metaller wie auch die Chemie haben den Spielraum von 3000 Euro bis Ende 2024 voll ausgereizt.

Im Tarifkonzert spielt die vergleichsweise kleine »gelbe« Post eine Sonderrolle. Sie war – wie Telekom und Postbank – 1995 aus der früheren Behörde Deutsche Bundespost hervorgegangen. Der Konzern tritt seit 2015 unter dem wenig eingängigen Namen »Deutsche Post DHL Group« auf. Der Großteil der Aktien befindet sich im Streubesitz. Allerdings hält die staatliche KfW-Bankengruppe im Auftrag der Bundesregierung einen Anteil von 20,5 Prozent des Grundkapitals.

Eine durchaus lukrative Beteiligung, denn die Post befindet sich im Höhenflug. Im dritten Quartal 2022 war der Umsatz des Bonner Multis um rund vier Milliarden auf über 24 Milliarden Euro gestiegen, der Gewinn legte gegenüber dem Vorjahr nochmals um 15 Prozent zu. So gilt die Deutsche Post als hoch profitabel. International steht die Marke DHL für einen der größten Logistikkonzerne weltweit, der die Lieferketten vieler Industriekonzerne orchestriert. Die Zustellung von Briefen und Paketen an Privathaushalte in Deutschland ist dagegen nur noch ein Nischengeschäft. In dieses Bild passt es, dass die Post ihren traditionsreichen Telegramm-Service zum Jahreswechsel einstellte.

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