Das Geschäft mit dem Klimawandel

Naturkatastrophen verursachen laut Studie der Munich Re auf allen Kontinenten hohe Schäden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Thomas Blunck erschreckt es immer wieder: »Naturkatastrophen treffen Menschen in ärmeren Ländern besonders stark«, sagte das für Naturkatastrophen zuständige Vorstandsmitglied der Munich Re am Dienstag bei der Vorstellung der Naturkatastrophenbilanz 2022 des Rückversicherers. So fand die größte humanitäre Katastrophe des vergangenen Jahres in Pakistan statt.

Infolge sehr schwerer Monsun-Regenfälle war es zu heftigen Überschwemmungen gekommen. Im August waren die Niederschläge dort fünf- bis siebenmal so stark wie sonst üblich, und eine beschleunigte Gletscherschmelze als Folge hoher Temperaturen verstärkte das Hochwasser erheblich. Mindestens 1700 Menschen starben dabei. Die direkten Schäden in Pakistan werden auf mindestens 15 Milliarden US-Dollar geschätzt – gemessen an der bescheidenen Wirtschaftskraft des Landes von 365 Milliarden Dollar eine enorme Summe. Versichert war fast nichts, zahllose Menschen verloren ihr Hab und Gut.

In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern sind Katastrophenschäden vielfach kaum versichert. Anders sieht dies in den Industriestaaten aus. Rund die Hälfte der weltweiten versicherten Schäden gehen allein auf das Konto von Hurrikan »Ian«. Der tropische Wirbelsturm traf im September mit Windgeschwindigkeiten von fast 250 Stundenkilometern auf die Westküste Floridas. Nur vier Stürme waren bisher beim Auftreffen auf US-Festland stärker, einige weitere waren ähnlich stark. »Ian« verursachte nach vorläufigen Schätzungen einen Gesamtschaden von rund 100 Milliarden Dollar (rund 93 Milliarden Euro), davon waren etwa 60 Milliarden versichert. Gemessen an den inflationsbereinigten versicherten Schäden war »Ian« der zweitteuerste Hurrikan der Geschichte nach »Katrina« im Jahr 2005, der als eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten gilt.

Solche starken Stürme wie »Ian« passen zu den erwarteten Folgen des Klimawandels, schreibt der Rückversicherer aus der bayerischen Landeshauptstadt in seiner Naturkatastrophen-Bilanz. Die Forschung gehe mehrheitlich davon aus, so die Munich Re, dass durch die Erderwärmung zwar nicht die Zahl der tropischen Wirbelstürme insgesamt steige, wohl aber der Anteil der besonders starken mit besonders heftigen Niederschlägen. Generell verstärke der Klimawandel Wetterextreme.

Weltweit erreichten die finanziellen Schäden durch Naturkatastrophen, die eigentlich Umweltkatastrophen sind, einen Umfang von 270 Milliarden US-Dollar (252 Milliarden Euro). Damit lag das vergangene Jahr unter dem Vorjahr, als Gesamtschäden von 320 Milliarden US-Dollar registriert wurden. Die versicherten Schäden von 120 Milliarden US-Dollar liegen indes deutlich über dem Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021.

Die Gründe dafür sind vielfältig. So erhöht die fortschreitende Verstädterung das Risiko für Menschen und ihr Hab und Gut. Dicht besiedelte Gebiete sind oft zugleich hoch industrialisierte Gebiete mit einer hohen Versicherungsdichte, was die versicherten Schäden erhöht. Verstädterung, Migration und Bevölkerungswachstum lassen zudem immer mehr Siedlungsbauten in gefährdeten Gebieten entstehen, etwa in Küstengebieten und am Rande von Flüssen. Die Sturzflut im Ahrtal und die kontroversen Diskussionen um den Wiederaufbau haben zuletzt gezeigt, dass auch in Deutschland nicht alle ihre Hausaufgaben machen. Das gilt zum Beispiel für den Hochwasserschutz selbst an kleinsten Bachläufen.

Die Rückversicherung aus München ist neben der Swiss Re der weltgrößte Rückversicherer. Seit 2017, dem Jahr mit den schwächsten Raten, konnten die Rückversicherer laut der Ratingagentur Moody’s Preissteigerungen um die 50 Prozent durchsetzen. Ein Boom, der auch neue Akteure anlockte. Fondsgesellschaften und Investoren wildern mit sogenannten Katastrophen-Bonds im Revier der Handvoll Rückversicherer, die sich traditionell den Weltmarkt teilen.

Üblicherweise gut die Hälfte aller Verträge mit Erstversicherern wie Allianz oder Axa und mit Industriekunden wird zum Jahreswechsel neu abgeschlossen. Branchenbeobachter erwarteten für 2023 weitere deutliche Preissteigerungen. Schließlich nehmen Risiken wie Naturkatastrophen oder Digitalisierung tendenziell zu. Schwerer zu kalkulieren ist für die Versicherer allerdings die Inflation.

Naturkatastrophen begleiten die Munich Re seit dem Erdbeben in San Francisco im Jahre 1906. Als in den 70er Jahren der Trend zu immer höheren Gesamt- und versicherten Schäden durch Naturkatastrophen deutlich wurde, erkannte der Münchner Versicherer als einer der ersten seiner Branche den erhöhten Bedarf an Fachexpertise. Seither analysieren und bewerten Naturwissenschaftler und Versicherungsexperten das gesamte Spektrum der »Elementargefahren« von Wirbelstürmen, Schwergewittern oder Hagelschauern bis hin zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Mit ihrer Weltkarte der Naturkatastrophen informieren Thomas Blunck und sein Team auch Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit anschaulich über Gefahrenherde in aller Welt.

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