Fusion mit Herz

Trotz der Fusion mit der Charité soll das Herzzentrum in vielen Fragen autonom arbeiten

Die Charité wächst: Seit Jahresbeginn ist das vormals eigenständige Deutsche Herzzentrum mit seinen 1600 Mitarbeitern Teil des Krankenhauses und firmiert nun unter dem Namen Deutsches Herzzentrum der Charité (DHZC). Mit dem formalen Zusammenschluss wird eine wichtige Hürde in dem schon länger laufenden Fusionsprozess genommen. Die Ziele sind ambitioniert: Von einem »Leuchtturm-Projekt« sprach am Montag der Linke-Wissenschaftssprecher Tobias Schulze. »Berlin erhält das innovativste Herzzentrum Deutschlands«, sagte der CDU-Abgeordnete Adrian Grasse. Die Kardiologie soll nicht nur bei der Forschung führend sein, sondern auch bei der Patientenversorgung Maßstäbe setzen.

Damit es soweit kommen kann, muss aber zunächst der rechtliche Rahmen angepasst werden. Am Montag diskutierten die Abgeordneten und Vertreter der Charité im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses über eine Novelle des Universitätsmedizingesetzes, mit der die Zusammenarbeit erleichtert werden soll. Trotz der Fusion soll das Herzzentrum dabei in vielen Fragen autonom bleiben. Wichtige Entscheidungen soll weiterhin die gemeinnützige Stiftung treffen, die das Herzzentrum betreibt. Die Hälfte des Stiftungsrats besteht allerdings aus Funktionsträgern der Charité. »Eine abgestimmte, aber eigene Strategie« werde das Herzzentrum innerhalb der Charité betreiben, sagte Joachim Spranger, der Dekan des DHZC.

Mit der Novelle werden nun unter anderem die Amtszeiten der Gremien im Herzzentrum und der Charité angepasst. »Das ist ganz pragmatisch«, fasste Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, die Änderungen zusammen. Die Koordination werde so erleichtert. Durch die Fusion werde die Charité künftig jährlich 22 000 mehr Fälle bearbeiten, ein Fünftel des Umsatzes werde dann durch das DHZC erwirtschaftet. »Die werthaltigste Rekommunalisierung« nannte Kroemer die Fusion. Auch Anette Simonis von der Landesvertretung Akademischer Mittelbau lobte diesen Kurs. Während andere Krankenhäuser zusätzlichen Aufgaben mit Ausgründungen begegneten, reagiere man an der Charité mit Integration. Das sei schon aus tariflicher Sicht zu begrüßen. »Das sollte Vorbildcharakter in Deutschland haben«, sagte sie.

Das schien auf Zustimmung der Abgeordneten zu treffen, die die Novelle fast einstimmig – die AfD enthielt sich – zum Beschluss empfahlen. Die Anhörung zeigte aber auch Baustellen im Fusionsprozess auf. Zunächst eine wortwörtliche: Der aktuell vom DHZC genutzte Gebäudekomplex auf dem Virchow-Campus in Wedding sei für moderne Herzmedizin nicht mehr geeignet, sagte Charité-Chef Kroemer. Daher soll noch in diesem Jahr ein Neubau beginnen, der 2028 abgeschlossen werden soll. Wie das alte Gebäude weiter genutzt werden kann, ist noch unklar. Die Kosten für den Bau werden aufgrund der Inflation allerdings deutlich höher ausfallen, so Kroemer.

Eine weitere Hürde: Durch die Fusion werden die Studierendenzahlen an der Charité deutlich steigen. Grund ist eine Besonderheit der Hochschulmedizin: Während sich an den Universitäten grob vereinfacht die Zahl der Studierenden nach der Zahl der Dozenten richtet, orientieren sich die Zulassungszahlen an der Charité an den jährlich behandelten Patienten. Weil mit dem DHZC neue Betten hinzukommen, steigt also auch die Zahl der Studierenden, die die Charité zulassen muss, um etwa zehn Prozent. »Wir können das aus dem laufenden Haushalt nicht finanzieren«, sagte DHZC-Dekan Spranger. »Ich würde mich freuen, wenn wir in eine Diskussion über die Kapazitätsregeln einsteigen könnten.« Die aktuelle Regelung erschwere zahlreiche Kooperationsprojekte.

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