Panzer marsch!

Widerstand gegen »Leopard«-Lieferungen an die Ukraine bricht zusammen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

»Ich appelliere… an die deutsche Seite, sich der Koalition der Länder anzuschließen, die die Ukraine mit ›Leopard-2‹-Panzern unterstützen. Das ist unsere gemeinsame Sache, denn es geht um die Sicherheit von ganz Europa!« Als der polnische Verteidigungsminister und Vizeregierungschef Mariusz Błaszczak diese Zeilen am Dienstagmorgen twitterte, lag der Antrag seiner Regierung zur Weitergabe von 14 in Deutschland gebauten Kampfpanzern bereits in Berlin vor.

Am Wochenende hatte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) dafür Tür und Tor geöffnet. Man werde anderen Staaten nicht in die Quere kommen, wenn sie der Ukraine »Leopard«-Panzer übergeben wollten, sagte sie. Es gibt in Berlin verschiedene Ansichten darüber, ob Baerbock so dem deutschen Regierungschef bewusst in den Rücken gefallen ist. Nun jedoch erwartet auch die Grünen-Fraktionschefin Haßelmann ein »Go« für die Lieferung. Die FDP hat aus ihrer Zustimmung schon lange keinen Hehl mehr gemacht, CDU und CSU drängen ebenfalls seit geraumer Zeit zur Entscheidung. Lediglich aus der AfD und von der Linken kommen Ablehnungen.

Polen hat mehrfach erklärt, Kiew mit den Kampfpanzern unterstützen zu wollen, gegebenenfalls auch ohne deutsche Exportgenehmigung. Ein noch zu lösender Knackpunkt: Polen will, dass sich die EU an den Lieferkosten beteiligt.

Wie dies entschieden werden sollte, daran ließ der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) keinen Zweifel. Er zeigt Verständnis für das Drängen der von Russland angegriffenen Ukraine sowie mit ihr verbündeter Staaten, Kiew mit massiven Waffenlieferungen zu unterstützen. Doch, so sagte der Minister im »Morgenmagazin« des ZDF: »Diese Entscheidung fällt im Kanzleramt.«

Bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin betonte Pistorius am Dienstag ebenfalls, er gehe davon aus, dass die Entscheidung »bald getroffen wird«. Quasi vorab ermunterte er Länder, die »Leopard«-Panzer abgeben wollen, »mit der Ausbildung von Besatzungen zu beginnen«.

Stoltenberg seinerseits forderte – wie bereits beim Ramstein-Treffen am vergangenen Freitag – eine rasche Lieferung neuer Waffen an die Ukraine, um im Frühjahr die derzeit zwischen den Kriegsparteien herrschende Pattsituation aufzubrechen. »In diesem entscheidenden Moment des Krieges müssen wir die Ukraine mit schwereren und fortschrittlicheren Systemen ausstatten.«

Diese sollen auch direkt aus Deutschland kommen. Bereits unmittelbar nach der US-geleiteten Ramstein-Konferenz hatte der deutsche Verteidigungsminister einen Prüfauftrag weitergereicht. Dabei ging es, wie er nun sagte, nicht darum, den deutschen Bestand an »Leoparden« generell zu ermitteln. Vielmehr sollte deren Zustand überprüft werden, »damit wir im Falle einer positiven Entscheidung… bereit sind, sie schnell zu transferieren«.

Bald kann es auch mit direkten deutschen Lieferungen schnell gehen. Erstens könnte die Bundeswehr aus ihren Beständen problemlos ein gutes Dutzend »Leopard« der neueren Baureihe »2A4« abgeben. Diese entsprechen dem Rüststand der von Polen angebotenen Fahrzeuge. Zudem könnte man Panzer umleiten, die im Rahmen eines sogenannten Ringtausches den Nato-Partnern Slowakei und Tschechien versprochen wurden. Dabei geht es um knapp 30 Kampfpanzer »2A4«, die der Rüstungskonzern Rheinmetall bis Ende März instandsetzen wird. Mit ihnen, so Konzernchef Armin Papperger, könne die Bundesregierung »tun, was sie will«.

Die Idee eines Ringtausches war entstanden, um die Ukraine rasch mit verfügbarem und beherrschbarem Material auszustatten. Deutschland hatte östlichen Nato-Partnern, die ihre Waffen sowjetischer Bauart an die Ukraine abgaben, zugesagt, dass sie dafür moderneren Ersatz aus deutschen Rüstungsbetrieben erhalten würden. So hat Deutschland der Slowakei 15 und Tschechien 14 »Leopard«-Panzer zugesagt – beide Länder erhielten im Dezember zunächst jeweils ein von Rheinmetall überholtes Fahrzeug.

Darüber hinaus werde es »ein knappes Jahr« dauern, bis die Firma eine relevante Anzahl weiterer Panzer liefern könne, hatte Papperger noch unlängst erklärt. Nun sagte er: »Ich habe von den 22 ›Leopard‹-Panzern gesprochen, die bei Rheinmetall stehen und Rheinmetall gehören. Da bleibe ich dabei, die werden nicht vor Ende dieses Jahres fertig.« Sie hätten zum Teil zehn Jahre mit offener Luke herumgestanden und seien »innen verschimmelt«. Laut einem Firmensprecher ist eine Auslieferung Ende 2023, Anfang 2024 möglich. Zudem stünden auch noch 88 ältere »Leopard 1« auf dem Hof. Insgesamt könne man also mit 139 Panzern rechnen.

Krauss-Maffei Wegmann (KMW), der eigentliche Hersteller des »Leopard«, bezeichnet sein Erzeugnis als den »weltweit führenden Kampfpanzer«, der alle Aspekte von Feuerkraft, Schutz, Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit in sich vereine. Allerdings, so geben Militärexperten zu bedenken, sei der 55-Tonnen-Koloss noch nie in einem modernen Gefecht geprüft worden.

Eigentlicher Vorteil des »Leopard« ist die weltweit hohe Anzahl verfügbarer Fahrzeuge. Dies könnte helfen, mehr Standardisierung in die ukrainische Armee zu bringen. Nach Angaben von KMW wurden bislang über 3500 »Leos« verschiedener Konfigurationen in 19 Länder geliefert. Mehr als 2000 von ihnen werden in einem Dutzend europäischer Länder und Kanada eingesetzt.

Laut einer Analyse des International Institute for Strategic Studies, einer in London ansässigen Denkfabrik, wurden etwa 350 »Leopard 2« nach Griechenland geschickt, die Türkei verfügt über eine vergleichbare Anzahl. Polen hat etwa 250 dieser Panzer, will sie demnächst aber durch US-amerikanische »Abrams« und südkoreanische Tanks ersetzen. Finnland hat 200 Stück, davon sind viele betriebsbereit eingelagert oder als Ersatzteilspender brauchbar.

Militärexperten gehen davon aus, dass die Ukraine zunächst rund 100 »Leopard 2« benötigt. Diese könnten dann ebenso effektiv wie offensiv mit bereits von den USA und Deutschland zugesagten Schützenpanzern »Marder« und »Bradley« sowie den bereits eingesetzten deutschen Brückenlege- und »Gepard«-Panzern zusammenwirken. Voraussetzung ist dabei nicht nur eine solide Ausbildung von Besatzungen, sondern auch eine intensive Schulung von Kommandeuren beim Einsatz der mit den Panzern verbundenen Waffengattungen.

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