Im Sinne Schinkels

Seit Jahrzehnten wird über die Architektur der neuen Bauakademie gestritten

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Grunde hatte die Debatte, wie die Schinkelsche Bauakademie in Berlins Mitte wieder aufgebaut werden soll, bereits begonnen, als die DDR-Führung sie 1962 abreißen ließ. Nun geht sie ihrem Ende zu. In diesem Jahr soll ein Realisierungswettbewerb starten für den Wiederaufbau der Akademie gegenüber der künftigen »Einheitswippe« und dem Berliner Schloss, nördlich des Auswärtigen Amtes am Werderschen Markt.

Die Wiedererrichtung hat eine lange Vorgeschichte. Nachdem der Bundestag aber 2016 beschloss, 62 Millionen Euro für den Bau zur Verfügung zu stellen, begann ein Streit, der noch mal Fahrt aufnahm, als 2020 die Berliner Schlossattrappe eröffnet wurde. Dabei ist die Bauakademie ein anderer Fall als das Schloss.

In den 1830er Jahren von Karl Friedrich Schinkel als Haus für die Ausbildung seiner Zunft erbaut, hob sich der Vorläufer einer Technischen Universität mit seiner roten Ziegelfassade und der Anlehnung an Fabrikgebäude auch baulich von der aus Sandstein gebauten Feudalarchitektur des Hohenzollernschlosses ab. Schinkels Bauakademie gilt in der Architekturgeschichte als innovativ und modern. Das wird von keiner Seite bestritten. Eine Rekonstruktion würde kein preußisches Herrscherhaus wiederentstehen lassen. Gestritten wird vor allem über die Ziegelfassade. Es geht hier also nicht um eine Geschichtskontroverse.

Trotz dieses entscheidenden Vorteils finden die unterschiedlichen Seiten der Diskussion nicht zueinander. Denn auch wenn das historische Original nicht ideologisch vorbelastet ist, stellt sich die Frage: Wäre ein originalgetreuer Neubau im Geiste Schinkels? Von den Gegnern der Rekonstruktion wird hier gern ein Zitat Schinkels angeführt, wonach historisch jenes Handeln sei, »welches das Neue herbeiführt und wodurch die Geschichte fortgesetzt wird«. Das sei aber nicht als vollständiger Bruch mit dem Alten gemeint, Schinkel selbst hätte sich in seiner Architektur bewusst mit Vergangenem auseinandergesetzt, wird von anderer Seite argumentiert.

Dem ursprünglich ausgerufenen Motto »So viel Schinkel wie möglich« steht mittlerweile die Forderung »So wenig Schinkel wie nötig« entgegen. Neben dem originalgetreuen Wiederaufbau oder einem gänzlichen Neubau gibt es auch inkonsequent wirkende Vorschläge einer teilweisen Rekonstruktion. Der Streit ist politisch. Das war auch schon der Abriss der zuvor noch reparierten Schinkelschen Bauakademie auf Anweisung der DDR-Führung, gegen die Architekten beider deutscher Staaten protestierten. An ihre Stelle setzte die DDR ihren Außenministeriumsbau, der dann wiederum 1996 abgerissen wurde, um Platz für die wieder zu errichtende Bauakademie zu schaffen.

Politisch aufgeladen ist der Streit um die Bauakademie auch und vor allem durch die größere Auseinandersetzung um die Berliner Mitte, der mit der Berufung der »Altstadt-Aktivistin« Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) zur Senatsbaudirektorin und ihrem Alleingang am Molkenmarkt, wo ebenfalls um Rekonstruktionen gestritten wird, eine neue Dynamik erhalten hat.

Das Grundstück der Bauakademie ging zuletzt an den Bund, geplant wird aber in Berlin. Ein Thinktank soll Handlungsempfehlungen für den geplanten Realisierungswettbewerb der Senatsbauverwaltung machen. »Statt aber die Empfehlungen abzuwarten, präsentierte die Senatsverwaltung eine Gestaltungsverordnung, die die Rekonstruktion festsetzt und im Widerspruch zum abgesprochenen Verfahren steht«, sagt Julia Dahlhaus, Vorsitzende des Architektenbundes BDA Berlin, am Freitagabend bei einem Symposium zur Bauakademie. Der schon im vergangenen September von Senatsbaudirektorin Kahlfeldt bekannt gewordene Griff ins Lenkrad hat nun zahlreiche Architekten dazu motiviert, sich in einem offenen Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zu wenden und sich für das Gremium des Thinktanks auszusprechen.

»Geht es lediglich um die nachgebaute Kopie eines unwiederbringlich verlorenen Originals oder geht es nicht vielmehr um die Wiedererrichtung der Bauakademie als richtungsweisende Institution in ihrer Zeit?«, fragen die Unterzeichner. So innovativ wie Schinkels Bauakademie seinerzeit war, so fortschrittlich müsste auch ein Bau im 21. Jahrhundert sein, der diesen Platz einnimmt, argumentiert beispielsweise Eike Roswag-Klinge. »Auch Schinkel würde die großen Zukunftsfragen lösen wollen«, sagt der Architekturprofessor von der TU Berlin.

Die großen Zukunftsfragen, damit meint er die durch den Klimawandel nötig gewordene Bauwende. Eigentlich dürfte man angesichts der CO2-Emissionen gar nicht mehr bauen. Doch dort, wo gebaut wird, müsste es innerhalb der »planetaren Grenzen« stattfinden. Roswag-Klinge forscht zu Holz und Lehm als nachhaltigen Baumaterialien. Die könnte er sich auch für die Bauakademie vorstellen.

Ein Minimum an Haustechnik oder auch gebrauchte Ziegel: Es gibt eine Reihe an Möglichen, ein CO2-armes Gebäude zu bauen, das bei Themen wie der Kreislaufwirtschaft vorangeht. Eine Bauakademie, die als Debatten und Lernort auch das Bauen der Zukunft verhandeln soll, müsse das selbst verkörpern. Es ist eben nicht irgendein Gebäude, eine Bauakademie baut man nur einmal. »Wie soll das aussehen, wenn Staatsgäste im Auswärtigen Amt vorfahren und denken, die Deutschen sehen ihre Zukunft im rekonstruierenden Bauen?«, sagt Roswag-Klinge.

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