Proteste gegen Daniele Ganser

Antisemitische Sprachbilder und Verschwörungsgedanken zum Ukraine-Krieg mobilisieren Gegner

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
2019 referierte Ganser in Karlsruhe zum »US-Imperialismus«.
2019 referierte Ganser in Karlsruhe zum »US-Imperialismus«.

Wenn ein umstrittener Historiker wie Daniele Ganser in großen Veranstaltungshallen wie ein gefeierter Entertainer seine Gedanken zum Ukraine-Krieg feilbieten will, ist Protest dagegen nicht verwunderlich. In einigen Städten haben ihn die Veranstalter inzwischen wieder ausgeladen, andernorts, wie zum Beispiel in Kiel, scheut man mögliche Regressforderungen.

Mit seinen Vorträgen ist der 50-jährige Schweizer als selbsternannter Friedensforscher unterwegs. Seine Veranstaltungen firmieren unter dem Titel »Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?«. Gansers Antwort lautet: Die Nato trage daran die Hauptschuld. Für seine Thesen nutzt er seit Langem die Social-Media-Kanäle von Ken Jebsen oder die »Rubikon«-Plattform und behauptet dort, mit seinen Inhalten und Thesen werde er zum Opfer von »Mainstreammedien«.

Nach Absagen in Dortmund und Nürnberg, die laut seiner Homepage jedoch trotzdem stattfinden sollen, bleiben Ganser momentan noch Veranstaltungen in rund einem Dutzend Städten. Der erste auf seiner auch durch Österreich führenden Vortragstournee abgesagte Termin betraf Innsbruck, veranlasst durch den Bürgermeister höchstpersönlich.

Ganser ist seit Langem umstritten, zuletzt machte er sich auch als Corona-Leugner einen Namen. So ist in seinen Augen die Pandemie eine Krise, die von einer kleinen Gruppe sehr mächtiger Menschen erschaffen worden sei. In dem Film »Pandamned« vergleicht er Geimpfe und Ungeimpfte mit Nazis und Juden. Baden-Württembergs Landesbeauftragter gegen Antisemitismus, Michael Blume, sieht darin eine Verhöhnung der NS-Opfer. Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover wirft Ganser krude Verschwörungserzählungen vor, die nicht selten in antisemitischen Sprachbildern endeten.

Die für Ganser tätige Veranstaltungsagentur Nema will sich gegen die Absagen wehren und kündigt für Dortmund und Nürnberg juristische Schritte an. Ganser selbst spricht von einer Diffamierungskampagne. Michael Blume, Beauftragter der baden-würtembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus, sieht das anders. »Es ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn Republiken ihre steuerfinanzierten Räume nicht länger für Verschwörungsmythen und Abzocke hergeben«, hält er Ganser via Twitter entgegen.

In der Kieler Veranstaltungshalle sollen am 8. März 1600 Plätze für Gansers Auftritt zur Verfügung stehen. In der Landes- und Kommunalpolitik beginnt sich jedoch auch dort Widerstand zu formieren. Hallenbetreiber ist hälftig der Verlag der »Kieler Nachrichten« und die Citti-Handelsgesellschaft. Man wolle nicht vertragsbrüchig werden, heißt es dort, habe aber alle Werbeaktivitäten für die Ganser-Veranstaltung eingestellt. Für Leinfelden-Echterdingen hat die Verwaltungsorganisation indes entschieden, dass Gansers Auftritt unter die Meinungsfreiheit fällt. Ein breites antirassistisches Bündnis »Solidarität statt Hetze« hat deshalb für den 12. Mai eine Protestaktion angemeldet. Am 15. März gibt es dort zudem eine Informationsveranstaltung zum Thema Verschwörungsideologien.

Für seine derzeitigen Veranstaltungen verlangt Ganser 30 Euro Eintritt. Neben den Auftritten zum Ukraine-Krieg hat der Schweizer Historiker mit seiner »Daniele Ganser Community« eine eigene, geschlossene Social-Media-Plattform aufgebaut. Die Schweizer »WOZ« ist dort trotz des Eintrittspreises von jährlich 365 Franken oder Euro eingetaucht. Die Hälfte der dortigen Videoclips drehe sich um den »inneren Frieden« und seien »in esoterischem Duktus gehaltene, offenbar frei von der Leber weg gesprochene Selbsthilfetraktate«, so die Zeitung. Im Universum sei vieles in »perfekter Ordnung«, darum müssten Menschen nichts weiter tun, um die Welt in diese Ordnung zu bringen, erklärt Ganser darin. Eigentlich gibt es dann für ihn auf dieser Welt nichts mehr zu tun. Allerdings allerdings nach Schätzungen der »WOZ« Ganser mit seiner »Community« jährlich rund 200 000 Franken.

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