Gänseblümchen, olé!

Niemand klaute so gut wie De La Soul. Jetzt starb Trugoy, einer ihrer drei Köpfe

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 3 Min.
Trugoy, 2019 in Kopenhagen
Trugoy, 2019 in Kopenhagen

Es war die Zeit, als man sich über einen sommerlichen Frühling noch freute, als sich der Kalte Krieg angenehm mild anfühlte und als man bei Russland nicht an Putin dachte, sondern an »Gorbi«, damals der größte Popstar neben Prince. Es war 1989. Das Jahr der großen Hoffnungen.

Eine derart gut gelaunte Zeit brauchte natürlich auch die entsprechende Musik: Lisa Stansfield, Rick Astley, Kylie Minogue spielten knatschbunten Kirmes-Pop, und sogar junge Rockmusiker wie die Stone Roses und die Happy Mondays entdeckten ihre fröhliche Seite und wurden mit Ecstasy-Pillen zu ekstatischen Ravern.

Nur die Rapper mochten da nicht mitfeiern. Der zweiten Generation des Hip-Hop stand nicht der Sinn nach Party. Reagans »War on Drugs« hatte die Bandenkriege in den Ghettos verschärft. Es gab mehr Schießereien und Tote denn je. Entsprechend brachial klang auch die Musik. Drei schwarze New Yorker mit den Pseudonymen Posdnuos, Trugoy und Maseo aber hielten nichts von Härte. Während Public Enemy zur Revolution aufforderten, riefen diese drei unter dem Namen De La Soul das »Daisy Age« aus, das Zeitalter der Gänseblümchen. Das Cover ihres Debütalbums war neongelb und mit bunten Blümchen bedruckt. Mehr Hippie ging nicht.

Ein Fall von kultureller Aneignung. Nur unter umgekehrten Vorzeichen. Hier waren es nicht Weiße wie Elvis, die den Schwarzen ihre Musik klauten, zum Beispiel Big Mama Thornton ihren »Hound Dog«. Nein, diesmal drehten drei Afroamerikaner den Spieß um und verleibten sich mal eben die Selbstfindungssymbolik weißer Wohlstandskinder ein. Den Albumtitel »3 Feet High And Rising« hatten De La Soul einem Lied von Johnny Cash entnommen; eine »weißere« Musik als Country war schlechthin undenkbar.

Bis dato hatten schwarze Rapper meist Samples von Soul- und Funkstücken verwendet, gefühlt japste James Brown auf jedem zweiten Hip-Hop-Song. De La Soul hingegen bedienten sich großzügig bei weißer Musik. Zu den verwendeten Samples gehörten unter anderem »Peg« von Steely Dan, »I can’t go for that« von Hall & Oates, »Chopsticks« von Liberace und »I’m Chief Kamanawanalea« von den Turtles. Hinzu kamen einige obskure Soundschnipsel, die den »Spex«-Autor Dirk Scheuring mutmaßen ließen, »dass es sich um so etwas handelt wie eine Gratis-Flexidisc, die der Long-Island-Mickey-Mouse-Club 1972 seinen Mitgliedern zum Nikolaustag durch den Kamin geworfen hat. Oder so.«

Die Wirkung dieses musikalischen Flickenteppichs war überwältigend. De La Soul hatten geklaut, was das Zeug hielt, und dabei etwas Ureigenes erschaffen. Das nannten manche »Alternative Hip-Hop« und andere »Progressive Rap« oder »Jazz-Rap«. Aber eigentlich war es Pop – Musik, die sich nahm, was sie wollte, und sich einen feuchten Kehricht darum kümmerte, ob das verwendete Material weißen, schwarzen oder außerirdischen Ursprungs war. Entscheidend war: »3 Feet High And Rising« machte so unverschämt gute Laune, dass sogar Chuck D von Public Enemy De La Soul als »meine Lieblingsgruppe« bezeichnete und das, obwohl er geladene Uzis Gänseblümchen vorzog. So wurde der Frühling 1989 zum »Spring of Love«.

Das konnte natürlich nicht ewig gut gehen. Das Cover ihres zweiten Albums aus dem Jahr 1991 zeigt einen umgekippten Topf mit verwelkten Blumen. Es hatte sich ausgehippiet. »De La Soul Is Dead« hieß das Werk – Zeit, sich neu zu erfinden. 22 Jahre später hat sich der Plattentitel bewahrheitet. Am 12. Februar 2023 starb David Jude Jolicoeur, besser bekannt als Trugoy, an Herzschwäche, im Alter von 54 Jahren. Auf seinem Grab sollten Gänseblümchen stehen.

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