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BFC Dynamo gegen Lok Leipzig: Abenteuerlust im Ostwind

BallHaus Ost: Über das Duell gegen Lok Leipzig und das Spiel der Spiele

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Christian Beck vom BFC ist nicht mehr ganz so wuchtig unterwegs.
Christian Beck vom BFC ist nicht mehr ganz so wuchtig unterwegs.

Eisiger Ostwind durchsichelte in Hohenschönhausen mein Haupthaar, als ich anlässlich der Partie BFC Dynamo gegen Lok Leipzig am Sonntag im Sportpark lustwandelte. Für Besucher höherklassiger Partien ist diese Art Stadionbesuch längst passé, alldieweil ihnen allerhand Tore, Barrieren und missmutig dreinblickendes Aufpasspersonal den Streifzug im Stadion verwehren.

Ballhaus Ost
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.

Wenn auch womöglich die Spielkultur eine andere ist, wird dieser Mangel an kickendem Fachpersonal eindeutig durch den Erkenntnisgewinn des Flanierens aufgehoben. Zumal ich in meinem Leben so viele großartige Fußballspiele live im Stadion erleben durfte, dass es mir jederzeit möglich ist, bei einer ganz besonders schlimm anzuschauenden Partie einen Teppich aus genialen Spielszenen vor meinen Augen zu teleportieren. Ja, da staunt ihr berechtigt – und es ist nicht das einzige Wunder, zu dem ich fähig bin. Aber lassen wir das für heute, der wahre Wortzauberer geht sorgsam mit seinen Gaben um.

BFC gegen Lok also. Bis 1989 eine große Nummer im Osten, heute nur was für ausgefuchste Genießer und abenteuerlustige Reisefreundinnen. Beide Teams hinterließen im halbknorken Hohenschönhausen nicht den Eindruck, als wollten sie im Titelkampf um die Regionalligakrone eine Rolle spielen. Der letzte Einsatz fehlte, obgleich mehr als 2000 zahlende Zuschauer, darunter einige Menschen aus dem schönen Leipzig, es durchaus nicht an Sangeskraft fehlen ließen. Den Vogel schossen etliche Tribünennachtigallen aus Berlin ab, die, zur großen Erheiterung aller, den ungeliebten Cottbuser Coach verhohnepipelten. »Schiri, du Wollitz«, »Piplica, du Wollitz«, »Sachsen, ihr Wollitze« tönte es durchs Rund.

Fußball wurde, wie bereits erwähnt, auch gespielt. Der würdevoll gealterte Ballkönig Christian Beck durfte in Reihen des BFC mal wieder von Anfang ran. Leider hat ihn die alte Becksche Wucht verlassen. Trotzdem sehe ich ihn selbstverständlich gern über das Spielfeld trippeln, zumal er im Gegensatz zu vielen gealterten Starkickern ein äußerst freundlicher Mensch geblieben ist. Ob wir ihn im nächsten Jahr noch Fußball spielen sehen werden, wird wohl in Magdeburg entschieden. Dort ist er eine lebende Legende, wie man hört, soll ihm sogar ein Roman gewidmet werden. Vielleicht darf er noch ein Jahr in der 2. Mannschaft des FCM spielen? Wenn nicht, kann er sich seiner Familie, dem Unkraut im Garten und dem putativen Eintritt in die Literaturgeschichte widmen.

Noch satte zwölf Spieltage darf ich mich an der Regionalliga Nordost erfreuen. Mindestens sechs Teams sind noch ins Titelrennen verwickelt, ist das nicht hübsch? Auch wenn der von mir nicht geliebte Thüringer Konkurrent aus Vieselbach (welch anständiger Thüringer meidet sie nicht, diese schmutzigen Gestade?) derzeit auf Platz eins sein Unwesen treibt, dürfte es doch der ruhmreichen Mannschaft aus Jena kommenden Sonnabend ein Leichtes sein, die Emporkömmlinge von dort zu vertreiben? Ein Sieg gegen den Derbyfeind lässt Blinde wieder sehen und Lahme wieder laufen, berichtet die Sage über das Spiel der Spiele.

Von vielen Heldentaten der guten Jenenser könnte ich berichten, und ich glaube fest, der böse RWE samt Orkbegleitung wird mit hängendem Schopf am Sonnabend 19 Uhr 03 die Heimfahrt im Büßergewand nach Mordor antreten. Kleine Mädchen werden ihren Canossa-Weg mit Dornen pflastern, der Himmel wird seine Gülleschleusen für sie öffnen, während ich im Paradies um unsere blaugelbweißen Lagerfeuer tanzen und dickes Schwein mit rotweißer Soße verköstigen werde.

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