Landesparteitag der Grünen: Abrechnung mit der SPD

Grüne rechnen nach dem Ende des bisherigen Bündnisses auf ihrem Landesparteitag mit der SPD ab

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 5 Min.

Viel war von Enttäuschung die Rede auf dem Kleinen Landesparteitag der Berliner Grünen am Dienstagabend, von Frustration und Wut. Ursprünglich war geplant, auf dem Parteitreffen den Weg frei zu machen für Koalitionsverhandlungen, idealerweise für eine Fortführung des bisherigen rot-grün-roten Regierungsbündnisses. Dann kam mit dem Koalitionsschwenk der SPD-Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh zur CDU vor einer Woche die »herbe Ernüchterung«, wie Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch es nun nannte. »Damit hätten wir nicht gerechnet: Es sieht so aus, als wären wir jetzt also Opposition«, sagte die durchaus angeschlagen wirkende Noch-Mobilitätssenatorin.

Der Parteitag selbst geriet dann auch nicht zur großen Jubelstunde, sondern vor allem zu einer einzigen großen Abrechnung mit der SPD. Genauer: mit »der Giffey-SPD«, wie der einstige Bündnispartner in nahezu jedem Redebeitrag betitelt wurde. So erklärte Jarasch, dass man »mit dieser Giffey-SPD« im Grunde durch sei: »Wir werden uns Machtoptionen jenseits dieser SPD erarbeiten müssen.« Das könnten die »Liberalen in der CDU« sein, aber auch jene Kräfte in der SPD, die in ihrer Partei derzeit untergebuttert werden von »der jetzigen Schicht an Funktionären, vielleicht aber irgendwann hochkommen«.

Fraktionschef Werner Graf rief die Berliner SPD-Mitglieder bei der Gelegenheit gleich mal auf, sich aus der »babylonischen Gefangenschaft« zu befreien, in die sie von Franziska Giffey und Raed Saleh geführt worden seien. »Ihr habt es noch in der Hand, diese Rückschrittskoalition abzuwählen. Sagt ›Nein‹ zu Benzin und Beton«, appellierte Graf mit Blick auf die von der SPD-Spitze angekündigte Mitgliederbefragung für einen Koalitionsvertrag mit der CDU. 

Dass man angesichts des unschönen Türenzuknallens der SPD-Spitze für Rot-Grün-Rot in diesem Fall wohl auf Schwarz-Grün zusteuern würde, erwähnte Graf freilich nicht. Daran, dass die Verhandlungen von CDU und SPD noch scheitern werden, glaubt bei den Grünen – wenigstens öffentlich – aber ohnehin kaum jemand. Auch nicht Werner Graf, der ankündigte: »Wir werden die Regierung so nerven, wir werden ihr so auf den Sack gehen, bis sie am Ende doch das machen, was wir wollen.«

Keine Gnade mit Giffey, heißt auch die Zielvorgabe von Katrin Schmidberger, der mieten- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Wenn Frau Giffey uns in der Opposition haben will, dann kann sie das haben. Aber auch sie wird bald feststellen, dass wir in der Opposition noch anstrengender sind als in der Regierung«, sagte Schmidberger, die wie Werner Graf zum linken Parteiflügel gehört. 

Anders als Teile des sogenannten Realoflügels, die sich »gesprächs- und verhandlungsbereit in alle demokratischen Richtungen« zeigen, wie es in einem schließlich zurückgezogenen Parteitagsantrag hieß, hält sich die Zugeneigtheit zu einem Bündnis mit der CDU aufseiten der Parteilinken in weitaus engeren Grenzen. Mit den Worten von Katrin Schmidberger: »Ich bin auch dafür, Offenheit zu zeigen, aber das heißt nicht, dass wir bereit sind, unsere Positionen aufzuweichen.«

Ähnlich der innenpolitische Sprecher der Abgeordnetenhaus-Fraktion, Vasili Franco, der nicht nur ein »verantwortungsvolles Regieren mit dieser Giffey-SPD« ausschloss, sondern den Parteitag auch an die von der CDU nach den Silvesterkrawallen losgetretene Vornamensdebatte erinnerte. Die SPD mit Giffey und Saleh an der Spitze sei für die Grünen Geschichte, sagte Franco: »Aber meint ihr, das hätte mit dieser CDU eine Zukunft? Tut mir leid, aber zumindest ich habe dafür den falschen Vornamen.«

Christine Pinto vom Kreisverband Mitte hielt für den Realoflügel dagegen: »Die CDU hätte sich für uns entscheiden müssen.« Auffällig war, dass sich die Realos – wie in der Grünen-Abgeordnetenhausfraktion – auch auf dem Parteitag deutlich in der Minderheit befanden. Bei Redebeiträgen der Schwarz-Grün-Befürworter wurde das Hintergrundgemurmel im übervollen Konferenzsaal dann auch schon mal lauter.

Von gegenseitigen Seitenhieben abgesehen, üben sich die Grünen nach außen hin derzeit aber in äußerster Disziplin, auch in Personalfragen. Nach dem Rechtsschwenk der SPD-Führung hatte Bettina Jarasch in der vergangenen Woche verkündet: »Dann muss ich wohl Oppositionsführerin werden.« Und genau das wird sie nun wohl auch werden. Am Dienstag erklärte Silke Gebel, seit 2016 Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, dass sie ihren Platz für Bettina Jarasch räumen wird. »Ich habe mich heute entschieden, für Bettina einen Schritt zur Seite zu treten und auf den Fraktionsvorsitz zu verzichten«, sagte Gebel auf dem Parteitag und erntete hierfür minutenlangen Applaus, stehende Ovationen und einen Blumenstrauß. 

Dem Vernehmen nach verlief der Amtsverzicht der Reala Gebel zugunsten der Reala Jarasch zwar nicht ganz so diskussions- und schmerzfrei, wie der Parteitag suggerieren konnte. Gleichwohl scheinen die Zeiten vorbei, als sich die Grünen wie zuletzt 2011 nach einer Wahl in aller Öffentlichkeit zerlegten. 

Klar ist: Damals wie heute haben die Grünen ihre selbst gesteckten Wahlziele verfehlt. Zwar hat sich die Partei jetzt mit 18,4 Prozent auf hohem Niveau behauptet. Aber sie ist weit davon entfernt, stärkste Kraft im Abgeordnetenhaus zu sein und erneut hinter der SPD gelandet. Jarasch sagt, sie wolle über das Ergebnis auch »nicht drüberjubeln«. Aber man dürfe eben auch »nicht auf die ganz leichten Wahlanalysen hereinfallen«, auf die kolportierten Gegensätze von Innenstadt und Stadtrand. »Es ist viel komplizierter.« Deshalb wolle man sich jetzt Zeit nehmen. Ordentlich Zeit: Die Auswertung der Wahl hat die Grünen-Spitze auf die Woche nach Ostern vertagt.

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