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Klaut das Brot den Geschmack?

Dr. Schmidt erklärt die Welt: Warum Brot eben doch Geschmackssache ist

Wenn ich in meiner Küche stehe und den Brotkasten betrachte – soll ich ihn benutzen und das Brot reinlegen, oder ist das nicht gut für das Brot?

Das kommt auf den Brotkasten und die Lagerzeit des Brotes an. Und darauf, ob der Brotkasten a) sauber und halbwegs keimfrei ist und ob er b) ein bisschen belüftet ist, sodass die Feuchtigkeit im Kasten durch das Brot nicht zu sehr ansteigt. Andernfalls schimmelt es leichter. Und dann kommt es natürlich darauf an, was für ein Brot du hast. Ist es eh schon ein relativ trockenes Brot aus der Backstation des Supermarktes, dann ist es fast egal.

Dann ist es nach einem Tag Beton.

Kann passieren. Aber wenn es jetzt ein relativ feuchtes Vollkornbrot ist, dann hält es sich im Brotkasten ganz gut. Irgendwo las ich, dass es empfehlenswert sei, das Brot im Brotkasten in der Papiertüte vom Bäcker zu lassen. Weil die bei der Feuchtigkeitsregulierung durchaus besser abschneidet als die Lüftungslöcher.

Was hältst du davon, den Brotlaib auf die angeschnittene Fläche zu legen?

Das wird allenthalben empfohlen, damit es eben nicht an der Schnittfläche austrocknet. Aber natürlich setzt das voraus, dass die Unterlage wirklich halbwegs keimfrei ist. Wie das allerdings die Schnittbrotkäufer machen sollen, weiß ich nicht.

Und was hältst du von der These des Berliner Fernseh- und Sternekochs Tim Raue, dass Brot dem Essen den Geschmack wegnimmt?

Das überzeugt mich nicht. Natürlich hat gutes Brot einen Eigengeschmack. Aber der kann sich dann durchaus gut ergänzen mit dem, was auf das Brot drauf kommt.

Finde ich auch.

In der »Süddeutschen Zeitung« wurde Herr Raue mal nach seinem Lieblingsbrot befragt – man glaubt es kaum. Da antwortete er: ein Brot, das seine Oma immer im KaDeWe gekauft und dann zu Hause noch mal nachgebacken hat. Jedenfalls gibt es in Frankreich, wo die gehobene Küche ja immerhin Kulturgut ist, durchaus Brot zum Essen.

Mein Lieblingsessen: eine Scheibe Baguette mit Butter und Salz.

Wenn das Baguette was taugt, ist das was Feines, keine Frage.

Die Wahrscheinlichkeit ist in Frankreich wesentlich höher als bei uns.

Wobei mir da eine Werbung von Renault einfällt. Um die hervorragende Knautschzone ihrer Autos zu demonstrieren, ließen die ein Baguette auf die Wand rauschen, was sich dann sehr elastisch verbog. Es kann also eine recht gummiartige Konsistenz entwickeln, wenn es nicht mehr ganz frisch ist.

In Deutschland sind sie stolz auf ihr Schwarzbrot. Hält sich das nicht am längsten?

Hm, auch ein Weißbrot, das gescheit gebacken ist, kann sich lange halten. Früher auf dem Lande hatten die keinen Bäcker. Die mussten ihr Brot selber backen und konnten auch nicht jeden Tag backen, nur in gewissen Abständen. Und so lange musste das Brot halten. Backen ist ja letztlich eine Konservierungsform. Brot ist ja gewissermaßen Mehlbrei zum Mitnehmen, historisch gesehen. Ursprünglich haben die Menschen das Getreide im Wesentlichen zu irgendwelchen Breien verarbeitet.

Also, ich mag es gern, wenn das Brot nach was schmeckt. Du auch?

Ja. Wobei gut schmecken ja bekanntermaßen Geschmackssache ist.

Aber halten wir fest: Tim Raue hat unrecht.

Also für mich ja. Aber ich würde ja auch nicht bei ihm essen gehen. Nicht nur aus Geldgründen, sondern weil ich wahrscheinlich mit dieser experimentellen Verknüpfung von asiatisch und französisch nicht klarkäme.

Ich schon.

Für solche Sachen bin ich einfach viel zu mäkelig.

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