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Frankfurt und das italienische Wunder in Neapel

Zirkus Europa: Historische Mutmacher für die Eintracht vor dem Achtelfinale

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Münchens Klaus Augenthaler (M.) bezahlte 1988 den Sieg gegen Inter mit Lothar Matthäus (r.) mit Mailänder Tritten im Kabinengang.
Münchens Klaus Augenthaler (M.) bezahlte 1988 den Sieg gegen Inter mit Lothar Matthäus (r.) mit Mailänder Tritten im Kabinengang.

Ein Wunder muss her. Bei Eintracht Frankfurt arbeiten sie drei Wochen nach dem ersten Playoff-Spiel der Vereinsgeschichte auf der größten aller Bühnen des kickenden Zirkus daran. Die Eintracht stand zwar schon mal im Endspiel der europäischen Fußball-Champions, aber das war in einer anderen Zeit, als der Wettbewerb noch Europapokal der Landesmeister hieß und noch kein Spielball der Hochfinanz war. Im Sommer 1960 gab es in Glasgow kein Wunder, sondern ein 3:7 gegen Real Madrid, die seinerzeit mit Abstand beste Mannschaft der Welt.

Zirkus Europa
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.

Davon ist der SSC Neapel weit entfernt, aber der souveräne Spitzenreiter der Serie A war im Hinspiel gut genug für einen ungefährdeten 2:0-Sieg in Frankfurt. An diesem Mittwoch steigt das Rückspiel im Stadio Diego Armando Maradona, und wenn es noch etwas werden soll mit dem Viertelfinale der Champions League, wäre ein wenig himmlischer Beistand gar nicht so verkehrt.

Dass so ein Miracolo in Italien nicht ganz unmöglich ist, hat Bayern München mal gezeigt. 1988 ging es gegen den FC Internazionale aus Mailand, ebenfalls im Achtelfinale, aber im Uefa-Cup, den Franz Beckenbauer damals noch nicht zum Pokal der Verlierer umgetauft hatte. Die Bayern standen im Umbruch. Lothar Matthäus und Andreas Brehme waren gerade erst zu Inter gewechselt und gastierten sogleich im Münchner Olympiastadion. Bayerns Kapitän Klaus Augenthaler ließ Matthäus über den Boulevard wissen: »In vielen wichtigen Spielen hat er sich feige versteckt. Wir werden ihm zeigen, dass es ohne ihn besser geht.«

Es ging dann im Hinspiel erst mal in die andere Richtung. Inter nahm zwar kaum am Spiel teil, schoss aber zwei Tore durch Aldo Serena und Nicola Berti. Wie Italiener eben so spielten in einer Zeit, als Trainer wie Inters Giovanni Trapattoni stolz waren auf das Verhindern der Fußballkunst. 2:0 hieß es am Ende für Inter, womit wir bei der ersten Parallele wären zum Duell am Mittwoch zwischen Francoforte und Napoli.

Wie das mit dem zweiten Teil geht, zeigten die Bayern im Dezember 1988 beim Rückspiel im Mailänder San-Siro-Stadion. Acht Minuten genügten für drei Tore, erzielt von Roland Wohlfahrt, Klaus Augenthaler und Jürgen Wegmann. Ein kleines Wunder kurz vor der Halbzeitpause. Doch bevor der Schiedsrichter beide Mannschaften in die Kabine bat, schoss Aldo Serena noch ein Tor für Inter – das große Zittern begann. Zu jener Zeit entschied bei Torgleichheit noch die höhere Zahl der auswärts erzielten Treffer, was zur Folge hatte, dass die Bayern das Ergebnis ganz im Sinne des Signore Trapattoni mit vollendeter Zerstörungskunst über die Zeit brachten. Das wiederum erzürnte die Milanesen, die sich keineswegs mit den von ihnen erfundenen Waffen aus dem Wettbewerb kegeln lassen wollten. Augenthaler erzählte später, Inters Verteidiger Giuseppe Bergomi und Torhüter Walter Zenga hätten ihn noch im Stadiontunnel auf den Weg in die Kabine mit Tritten verfolgt. Egal. An jenem kalten Mittwoch in Mailand feierte der deutsche Boulevard kein Miracolo, sondern ein urdeutsches »Wunder von San Siro«.

Wenn es denn stimmt, dass die Geschichte sich wiederholt, dann mag sie Hoffnung machen auf ein neuerliches Wunder, 35 Jahre später und diesmal unter Frankfurter Federführung. Zu eben dieser Geschichte aber gehört auch, dass die Bayern ein paar Monate darauf im Halbfinale doch noch an einem italienischen Team scheiterten. An jenem SSC Neapel, der an diesem Mittwoch die Franfurter Eintracht empfängt.

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