Aufstand der Systemrelevanten

Wolfgang Hübner über die derzeitigen Arbeitskämpfe

In dieser Woche folgen in mehreren Bundesländern Mitarbeiter des Gesundheitswesens den Aufrufen zu Warnstreiks. Zuvor streikten Kita-Erzieherinnen und Müllmänner, Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs und von Sparkassen, Sicherheitspersonal an Flughäfen. Ein Poststreik wurde durch eine Tarifeinigung abgewendet; Ende März droht der Verkehr deutschlandweit stillzustehen.

Wer ist da in kämpferischer Stimmung? Es sind viele jener Systemrelevanten, denen in der Pandemie Beifall geklatscht wurde. Von denen es hieß, dass sie in der Krise den Laden am Laufen halten. Die von Politik und Medien rhetorisch geherzt wurden. Jetzt allerdings, da es nicht nur um Applaus, eine Einmalzahlung und ein paar warme Worte geht, zeigt sich die Politik – zumindest beim öffentlichen Dienst – ziemlich zugeknöpft. Und mancher Leitartikel liest sich, als gehe es um gewerkschaftliche Raffgier.

Tatsächlich sieht die Lage anders aus. Die Steuereinnahmen des Staates steigen, und der Postkonzern etwa verkündete erst dieser Tage für 2022 einen Rekordprofit, nachdem schon 2021 ein Rekordjahr war. Dass die Beschäftigten eine angemessene Anerkennung ihrer Arbeit und – gerade angesichts der Inflation – ihren Anteil am Reichtum verlangen, den sie maßgeblich erwirtschaftet haben, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Es geht um Geld und um bessere Arbeitsbedingungen. Dabei können sie sich nur auf ihre eigene Kraft verlassen. Eine konzertierte Aktion von Politik, Unternehmen und Gewerkschaften für bessere Löhne – so wie kurzzeitig zur Abfederung der schlimmsten Krisenbelastungen – wird es nicht geben. Und geschenkt wird den Beschäftigten nichts, außer Beifall und warmen Worten. Aber dafür können sie sich nichts kaufen.

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