BAMF widerruft Schutzstatus von Jesiden aus dem Irak

Asylstatus in fast 1500 Fällen seit 2018 zurückgenommen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist erst wenige Wochen her, da fiel im Bundestag ein historischer Beschluss: Am 19. Januar erkannten die Abgeordneten die Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates (IS) an den Jesid*innen in Syrien und im Irak als Völkermord an. Tausende Angehörige der religiösen Minderheit waren seit 2014 durch den IS verschleppt, vergewaltigt, versklavt und ermordet worden. Zwar übt die Terrororganisation keine Kontrolle über Gebiete mehr aus, sie ist aber im Nordirak – der Heimat vieler Jesid*innen – weiter aktiv. Das ist auch der Ampel-Koalition bekannt. So führte der Grünen-Politiker Max Lucks in der damaligen Debatte aus, die Befriedung der Sinjar-Region im Nordirak müsse Priorität deutscher Irak-Politik sein. Auch im verabschiedeten Antrag heißt es, den Jesid*innen sei »weiterhin unter Berücksichtigung ihrer nach wie vor andauernden Verfolgung und Diskriminierung im Rahmen des Asylverfahrens Schutz zu gewähren.« Ausdrücklich heißt es über die Sinjar-Region, dass eine sichere Rückkehr »aufgrund der hoch volatilen Sicherheitslage« kaum möglich sei.

Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sieht man das offenbar anders, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums (BMI) auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger hervorgeht, die »nd.derTag« vorliegt. Konkret geht es um Widerrufsprüfungen, also die Kontrolle durch das BAMF, ob Gründe für gewährtes Asyl weiter vorliegen. Laut Bünger gab es in den Jahren 2015 bis 2017 lediglich 27 Widerrufe des Schutzstatus jesidischer Flüchtlinge aus dem Irak. Seit 2018 stieg die Zahl sprunghaft an, ist seitdem jährlich dreistellig und beläuft sich von 2018 bis 2022 auf fast 1500 Widerrufe. Letztes Jahr waren es 126. »Die jesidischen Überlebenden des Völkermords brauchen einen sicheren Schutz. Die Bundesregierung muss deshalb unmissverständlich klarstellen, dass bereits erteilte Flüchtlingsstatus nicht widerrufen werden«, fordert Bünger.

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Eigentlich ist dies auch dem BMI klar: In der Antwort heißt es, für Jesid*innen aus dem Irak gelte unabhängig von der Herkunftsregion und dem möglichen Vorliegen einer Sachlagenänderung, dass eine Rückkehr in den früheren Verfolgerstaat »nicht zumutbar« sei. Beim BAMF nahm jedoch nicht nur die Zahl der Widerrufe zu, auch werden immer mehr Asylanträge von Jesid*innen aus dem Irak abgelehnt. Bekamen 2015 mehr als 99 Prozent den Schutzstatus zugesprochen, waren es 2022 nur noch 48 Prozent. Bünger mahnt, dass sich der Bundestagsbeschluss vom Januar nicht als als gebrochenes Versprechen entpuppen dürfe, »wenn es um den Schutz der Betroffenen geht«.

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