Allergien gegen Tiere: Haarige Liebe

Allergien gegen Tiere sind weit verbreitet und können noch nach jahrelangem Kontakt auftreten

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 6 Min.
Vor allem für Kinder ein großer Konflikt: Unter der Allergie leiden oder das Tier abgeben?
Vor allem für Kinder ein großer Konflikt: Unter der Allergie leiden oder das Tier abgeben?

»Eines ist klar«, sagt der Arzt nach dem Allergietest zur Patientin: »Die Katze muss weg!« Bei einem so harschen Satz stehen Tierliebhabern die Haare zu Berge. Dabei ist die Schlussfolgerung recht logisch: Leidet jemand unter handfesten Symptomen einer Tierallergie, erscheint es naheliegend, sich von den Auslösern fernzuhalten. Doch Theorie und Praxis klaffen weit auseinander. Schon für Hausstauballergiker ist es schwierig, Staubfänger wie offene Bücherregale und Teppiche aus der Wohnung zu verbannen. Bei Tieren ist die Sache meist noch viel problematischer. Ein Haustier ist kein Möbelstück, das sich rasch entsorgen lässt, sondern ein Lebewesen, für das seine Halter Verantwortung tragen. Häufig gibt es von beiden Seiten eine enge Bindung. Daher ist die Ratlosigkeit groß, wenn die Diagnose feststeht. Ganz so hoffnungslos wie noch vor ein paar Jahren ist die Situation allerdings nicht mehr.

Tierallergien gehören unbestritten zu den häufigsten Allergien – wie oft sie wirklich vorkommen, ist aber unklar. Die Beschwerden ähneln einem Heuschnupfen. Es kann zu Niesattacken, Schnupfen, Augenjucken und Hautausschlägen kommen, auch Asthma kann sich entwickeln. »Prinzipiell sind Allergien gegen fast alle Tiere denkbar«, sagt der Allergologe Randolf Brehler vom Universitätsklinikum Münster. »Allerdings rufen felltragende Tiere besonders oft Allergien hervor.« Vor allem Katzen und Hunde, aber auch Pferde und Nagetiere wie Meerschweinchen bereiten bei vielen Probleme. Dabei sind nicht die Haare selbst der Auslöser, sondern Proteine, die Tiere über Speichel, Schweiß, Urin, Talgdrüsen absondern und durch Lecken im Fell verteilen. Über Haare und Staub geraten die Allergene in die Luft, werden eingeatmet und rufen Beschwerden hervor. Aber auch der direkte Hautkontakt kann einen Nesselausschlag mit Quaddeln oder Ekzeme auslösen. Die Beschwerden lassen sich zwar mit antiallergischen Medikamenten unterdrücken – diese wirken aber nur vorübergehend und können zudem Nebenwirkungen haben.

Auch wer sein Tier schon länger hat, kann eines Tages dagegen allergisch werden. »Es ist nichts Ungewöhnliches, dass sich eine Allergie erst spät entwickelt«, sagt der Allergologe Karl-Christian Bergmann von der Charité in Berlin. Viele Menschen sind nämlich sensibilisiert. Das heißt: Ihr Immunsystem hat sich mit dem Allergen auseinandergesetzt und es als potenziell gefährlich eingestuft, ohne dass es zu Beschwerden kommt. Irgendwann kann daraus eine Allergie entstehen. »Die Hälfte aller Personen, die mit Katzen zusammen sind, sind sensibilisiert«, erklärt Bergmann. Katzen besitzen nämlich die aggressivsten aller Tier-Allergene, da sie sich über die Luft sehr gut verteilen und lange stabil bleiben. Es kann sein, dass jemand jahrelang problemlos mit einem Tier zusammenlebt und dann auf einmal Beschwerden bekommt. »Man fragt sich dann: Warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt?«, sagt Bergmann. Doch darauf können Experten keine Antwort geben.

Eine andere Frage ist, warum jemand überhaupt Allergiker wird. »Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle«, sagt Randolf Brehler. »Ein Risikofaktor ist eine durchlässige Hautbarriere bei Kindern. Wer Neurodermitis hat, entwickelt häufig auch eine Tierallergie.« Dazu muss sich jemand gar nicht mal ein Tier anschaffen. Laut Deutschem Allergie- und Asthmabund (DAAB) sind sogar nur die Hälfte aller Katzenallergiker selbst Katzenhalter oder ehemalige Katzenbesitzer. Aufgrund ihrer »sehr guten Schwebeigenschaften« verbreiten sich die Allergene per Luft und Kleidung auch in Schulen und öffentlichen Gebäuden, sodass empfängliche Personen darauf reagieren.

»Wenn man eine Tierallergie vermutet, ist die Diagnostik sehr wichtig«, sagt Brehler. Dazu stehen Haut- und Bluttests zur Verfügung, die alternativ oder kombiniert eingesetzt werden können. Mitunter bietet sich ein Provokationstest an, um die Diagnose abzusichern. »Bestätigt sich der Verdacht, steht Allergenkarenz an erster Stelle«, erklärt der Experte. Das heißt, dass man den Kontakt zu den Auslösern meiden sollte – handelt es sich um das eigene Tier, läuft das auf Abgeben hinaus. Beim DAAB sieht man das ähnlich.

Nach Einschätzung des Berliner Allergologen Bergmann gibt es durchaus sinnvolle Alternativen, allen voran die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung). Dabei werden dem Körper immer wieder kleine Dosen des Allergens verabreicht, sodass er sich allmählich daran gewöhnt. Noch wenig bekannt sei, dass es inzwischen neue Immuntherapien gebe, mit denen sich Tierallergien effektiv und nebenwirkungsarm behandeln ließen, erklärt der Experte. Dabei handelt es sich um Tropfen, die unter die Zunge gegeben werden. »Wir machen das hier an der Charité häufig und haben gute Erfolge erzielt.« Dagegen ist die gängige Immuntherapie in Spritzenform bei Tierallergien nur bedingt empfehlenswert: In der Vergangenheit kam es gerade bei Katzenallergikern zum Teil zu schweren Nebenwirkungen, Bergmann berichtet sogar von einem Todesfall in Deutschland.

Ein anderer Forschungsansatz, bei dem Katzenallergikern Antikörper gegen das Allergen verabreicht werden sollten, ist vorerst auf Eis gelegt worden. Der Allergologe Brehler berichtet: »Darin waren große Hoffnungen gesetzt worden. Die Gründe dafür, dass sich der Hersteller jetzt von dem Projekt zurückgezogen hat, sind nicht bekannt.«

Abgesehen davon gibt es Möglichkeiten, die Allergenkonzentration zu verringern: etwa, das Tier regelmäßig abzuwaschen, häufig zu lüften, Böden feucht zu wischen und Luftreiniger mit Schwebstofffilter (HEPA-Filter) aufzustellen. Außerdem gibt es Spezialfutter für Katzen, das einen Antikörper gegen das Katzenallergen Fel d 1 enthält. Fressen die Tiere das Futter täglich, nimmt die Allergenbelastung auf Haaren und Hautschuppen nach Herstellerangaben ab. »Klinisch ist das aber noch nicht belegt«, sagt Bergmann.

Nach wie vor in der Pipeline steht eine Impfung, mit der Katzen so immunisiert werden sollen, dass sie weniger Allergene produzieren. Ein entsprechender Stoff, der angeblich effektiv und für die Tiere sicher ist, wurde in der Schweiz entwickelt. Ob und wann der Impfstoff in Europa zugelassen wird, ist allerdings unklar. Damit der desillusionierenden Nachrichten nicht genug:

Allergenfreie Katzen- und Hunderassen gibt es nicht. Richtig ist dagegen, dass es von Tier zu Tier unterschiedlich ist, wie viele Allergene es ausscheidet. »Dabei kommt es auf viele Faktoren an, etwa auf Alter, Geschlecht, Jahreszeit«, erklärt der Berliner Experte. So sind weibliche Katzen oder kastrierte Kater tendenziell allergenärmer als andere Artgenossen – zumal dann, wenn sie wenig Haare verlieren und schon älter sind, wie Bergmann in seinem Ratgeber »Diagnose Katzenallergie« schreibt.

Familien, in denen keine Allergien bekannt sind, dürfen sich übrigens getrost ein Haustier zulegen – besser sogar mehrere oder gleich einen ganzen Mini-Zoo. Damit schützen sie ihren Nachwuchs nämlich möglicherweise sogar vor Allergien. Das liegt an den diversen Keimen, die die Tiere eintragen: »Die Auseinandersetzung mit vielen verschiedenen Bakterien wirkt protektiv«, sagt der Allergologe. Unklar ist die Situation dagegen bei Risiko-Familien. Laut der ärztlichen Leitlinie zum Thema ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sie sich einen Hund anschaffen. Von einer Katze sollten sie aber besser die Finger lassen.

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