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Schuldenreport 2023: Gläubigerblockade erschwert Schuldenerlasse
Verhärtete Fronten zwischen China und dem Westen verschärfen die Lage im Globalen Süden
Polykrise – dieses Wort benützt Klaus Schilder, wenn er die Lage in Sri Lanka beschreibt. Der Experte für Entwicklungsfinanzierung beim katholischen Hilfswerk Misereor, das alljährlich zusammen mit dem Entschuldungsbündnis Erlassjahr.de den Schuldenreport herausgibt, schilderte bei der virtuellen Pressekonferenz am Donnerstag die Lage in dem südasiatischen Inselstaat. Corona, Klimawandel, Ernährungskrise, Auswirkungen des Ukraine-Krieges – die Menschen in Sri Lanka kämen aus dem Krisenmodus nicht mehr heraus, so Schilder. »Die soziale und wirtschaftliche Lage ist desolat, wie uns Projektpartner berichten. Zwischen 2021 und 2022 hat sich die Armutsrate auf 25 Prozent verdoppelt. Krankenhäuser müssen Operationen verschieben, weil es nicht genug medizinisches Material gibt. Die Lebenshaltungskosten sind drastisch gestiegen.«
Was auf Sri Lanka zutrifft, gilt auch für viele andere Schuldnerländer. Ständige Blockaden aufseiten der einzelnen Gläubiger führten bislang immer wieder zur Verzögerung einer bitter notwendigen Umschuldung. »Sri Lanka ist nur ein Beispiel, das zeigt, was passiert, wenn ein kritisch verschuldetes Land in einer ausweglosen Schuldenspirale gefangen ist. Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie war das Land einer der am kritischst verschuldeten Staaten weltweit.« 13 Prozent der Forderungen würden von China gehalten, acht Prozent von Japan als den größten bilateralen Gläubigern. Die größte Gruppe bildeten aber private Gläubiger, die 45 Prozent aller Forderungen an Sri Lanka hielten. Eine Einigung auf einen Schuldenerlass gelang bisher nicht, doch einen Fortschritt gibt es. Nachdem China seine Bereitschaft zu einem Schuldenerlass erklärt hatte, gab der Internationale Währungsfonds (IWF) Anfang vergangener Woche grünes Licht für ein Darlehen in Höhe von umgerechnet rund 2,9 Milliarden Euro. Damit soll in den kommenden vier Jahren die Wirtschaft belebt werden. Schilder begrüßt das, doch ein umfassender Schuldenerlass bleibe unverzichtbar, um die Schuldentragfähigkeit des Landes wieder herzustellen. Trotz Chinas Erklärung ist die laufende Schuldenrestrukturierung in Sri Lanka noch nicht durch, so wenig wie in Sambia, wo ebenfalls wechselseitige Blockaden der Gläubiger rasche und hinreichende Lösungen verhindern – zu Lasten der Menschen vor Ort.
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der globalen Zinswende aus dem Jahr 2022 sind im Schuldenreport 2023 noch gar nicht erfasst, denn er hat den 31. Dezember 2021 als Stichtag der Datenerfassung. Dabei ist klar, dass beide die ohnehin schwierige Lage weiter verschärft haben, weil der Krieg politische Lösungen erschwert und die höheren Zinsen die Krisenländer noch weiter in die Klemme bringen. »Schon jetzt sind 136 von 152 untersuchten Staaten im Globalen Süden kritisch verschuldet, 40 von ihnen sehr kritisch«, erläuterte Kristina Rehbein, Politische Koordinatorin des deutschen Entschuldungsbündnisses Erlassjahr.de bei der Pressekonferenz.
Unter anderem als Folge des enormen Mittelabflusses durch den Schuldendienst fehlten finanzielle Mittel, um die immer weiter wachsende Armut, die Klimakrise und den fortschreitenden Hunger zu bekämpfen. »90 Prozent der extrem armen Menschen weltweit leben in kritisch oder sehr kritisch verschuldeten Ländern« und »64 Prozent der Länder im Globalen Süden sind kritisch oder sehr kritisch verschuldet, im Vergleich zu 37 Prozent vor Ausbruch der Corona-Pandemie«, führte Rehbein aus. »Die Frage nach dem Ausweg aus der Verschuldungsspirale stellt sich 2023 daher dringender denn je. Die fällig werdenden Schuldendienstzahlungen an ausländische Gläubiger befinden sich auf dem höchsten Stand seit Ende der 1990er Jahre – und der Druck wird weiter steigen«. Besonders betroffen sind sehr kritisch verschuldete Staaten. »In drei Vierteln dieser Länder übersteigen die Schuldendienstverpflichtungen die Gesundheitsausgaben«, so Rehbein weiter.
Bei den Indikatoren handelt es sich um die öffentlichen Schulden, die Auslandsschulden sowie den Schuldendienst in Relation zur Wirtschaftsleistung, zu den Staatseinnahmen und den Exporteinnahmen. Leicht kritisch ist, wenn der Schuldendienst zwischen 15 und 22,5 Prozent der Exporteinnahmen ausmacht, sehr kritisch ist es ab über 30 Prozent.
Sowohl Schilder als auch Rehbein sehen die Bundesregierung in der Pflicht. »Die Bundesregierung muss jetzt ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag erfüllen und sich für einen neuen Schuldenmanagementkonsens einsetzen.« An Vorschlägen mangelt es nicht: Automatische Moratorien für klimaverwundbare Staaten, Anti-Holdout-Gesetze, die Klagen privater Gläubiger in Deutschland unterbinden könnten, unabhängige Schuldentragfähigkeitsanalysen oder der Aufbau eines transparenten Schuldenregisters. Es ist eine Frage des politischen Willens. Und eigentlich auch eine der politischen Vernunft. Denn die Erfahrung mit Schuldenkrisen zeigt, dass sie für alle – auch für die Gläubiger – umso teurer werden, je später ihre Bewältigung in Angriff genommen wird.
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