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Skisprung-Coach Stefan Horngacher: »Es wird Veränderungen geben«

Der Bundestrainer im Bilanz-Interview über den eher enttäuschenden Winter und die Gründe dafür

  • Interview: Lars Becker
  • Lesedauer: 5 Min.
Andreas Wellinger war am Wochenende in Planica und in der gesamten Saison der Lichtblick im deutschen Team.
Andreas Wellinger war am Wochenende in Planica und in der gesamten Saison der Lichtblick im deutschen Team.

Wie fällt Ihre Bilanz für das deutsche Team nach einem sehr langen und sportlich teils enttäuschendem Winter aus?

Interview

Stefan Horngacher erlebte in seiner vierten Saison als Bundestrainer das bislang schwächste Abschneiden der deutschen Skispringer. Die Kritik an seiner Person nimmt der 53-jährige Österreicher als »Ansporn«. Für den wachsenden Abstand zur Weltspitze hat Horngacher verschiedene Gründe ausgemacht und erzählt, was er alles verändern will.

Das war eine Saison mit Ups und Downs. Wir haben richtig starke Highlights wie bei der WM erlebt, aber auch sehr schwierige Situationen wie bei der Vierschanzentournee. Auch jetzt in Planica hat uns beim Finale zumeist das Selbstvertrauen gefehlt und wir konnten nur mit Einzelsprüngen wie von Andreas Wellinger zufrieden sein. Insgesamt waren wir nicht so stabil vorn dabei wie in den Jahren zuvor und hatten keinen Topmann, der konstant um die Siege mitgesprungen ist.

Das war in den vergangenen Wintern immer Karl Geiger.

Karl war jetzt das vierte Jahr in Folge zumindest punktuell mit einzelnen Podestplätzen mit vorn dabei und gehört nach wie vor zu den besten Skispringern der Welt. Aber er konnte es diesmal nicht konstant durchhalten, und es gilt zu analysieren, warum das so war. Auch Markus Eisenbichler war nicht so stabil, was aber nach den Verletzungen, die er sich im Sommer zugezogen hatte, erwartbar war. So konnte er nur einzelne Highlights setzen. Wir haben aber auch positive Momente erlebt: Andreas Wellinger hat wieder Weltcups und Medaillen gewonnen, ich erinnere mich an kaum einen Springer, dem das nach einer Kreuzbandverletzung gelungen ist. Auch Philipp Raimund hat sich gut entwickelt, bei ihm geht es erst los, das ist ein Mann für die Zukunft.

Trotzdem haben aber auch in diesem Winter wieder die erfahrenen Flieger für die Erfolge gesorgt.

Es ist die wichtigste Aufgabe für die kommenden Winter, dass wir neue, junge Leute einbauen, die Geiger, Eisenbichler und Wellinger eines Tages ersetzen können. Justin Lisso und Felix Hoffmann haben am Ende der Saison schon gezeigt, dass wir durchaus Talente haben, die aber den letzten Schritt in die Weltspitze noch machen müssen.

Unter dem Strich bleibt mit Platz fünf in der Weltcup-Nationenwertung die schlechteste deutsche Platzierung seit 15 Jahren. Auch das Saison-Finale in Planica war mit Platz fünf im Teamspringen und Rang neun für Andreas Wellinger eher enttäuschend. Haben Sie schon Gründe dafür analysiert?

Die Ursachenforschung ist noch nicht abgeschlossen, weil ein paar Dinge nicht so offen sichtbar sind. Aber wir werden die Fehlerquellen finden. Damit werden wir uns unter anderem im Rahmen der Trainerklausuren beschäftigen. Das Material hat in diesem Winter eine wichtige, in meinen Augen zu wichtige Rolle gespielt. Durch die neuen Messmethoden und die Anzuggröße hat der aerodynamische Anteil beim Skispringen enorm zugenommen. Auch im Bereich der Ski hat es Weiterentwicklungen gegeben. Das alles hat dazu geführt, dass geringste Unterschiede beim Wind große Auswirkungen auf die Weiten haben. Die Wettkämpfe wurden dadurch sehr schwer steuerbar. Dem Internationalen Skiverband Fis ist das Problem aber bewusst und ich denke, dass es da Regeländerungen geben wird.

Was wären aus Ihrer Sicht sinnvolle Ansätze?

Es war die Rede davon, dass es einen Körperscanner geben könnte, der die Springer maschinell vermisst. Das würde die Sache ganz sicher auf eine andere Basis stellen. Dazu sollte man die aerodynamische Komponente beim Skispringen wieder etwas reduzieren – ansonsten besteht die Gefahr, dass es wieder zu sehr in die Richtung geht, dass leichte, kleine Springer weiter fliegen.

Generell hat man das Gefühl, dass andere Nationen einen anderen Flugstil als die deutschen Skispringer entwickelt haben. Sie haben selbst gesagt, dass die Probleme Ihrer Flieger größer werden, je größer die Schanze wird.

Das stimmt, wir haben nicht umsonst unsere größten Erfolge in diesem Winter bei der WM auf der kleinen Normalschanze gefeiert. Auch das hat mit der gewachsenen Bedeutung der aerodynamischen Komponenten zu tun. Nicht mehr der Absprung ist entscheidend, sondern wie schnell man in eine aerodynamische Flugposition kommt und somit maximale Geschwindigkeit mitnimmt, also die Übergangsphase vom Absprung in den Flug. Unser Sprung ist ganzheitlich angelegt, mit einem ordentlichen Impuls beim Absprung. Andere Nationen stellen das Fliegen in den Vordergrund und feiern Erfolge damit – Springer aus Norwegen oder Slowenien exerzieren das vor. Sicher müssen wir künftig unser System optimieren, aber das hängt alles auch von den möglichen neuen Regeln ab.

Es gab speziell nach dem Debakel bei der Vierschanzentournee auch harte Kritik an Ihnen persönlich. Haben Sie mal daran gedacht, alles hinzuwerfen?

Nein! Ich mache weiter und die Kritik kam ja nicht zu Unrecht. Und ich als Trainer der Nationalmannschaft muss damit leben, das ist im Skispringen genauso wie im Fußball. Diese Challenge spornt mich eher an. Viel betroffener hat mich zum Beispiel die Disqualifikation beim olympischen Mixed-Springen gemacht. Da habe ich mich schon gefragt, für was ich das eigentlich mache. Weil da die Entscheidung von außen kam und mir die Hände gebunden waren. Die derzeitige Situation spornt mich an, weil ich selbst etwas verändern kann. Und ich werde wirklich alles dafür tun, dass wir künftig wieder besser und erfolgreicher Skispringen.

Welche Veränderungen sind konkret geplant?

Ich habe mir schon sehr viele Gedanken gemacht, die wir am 17. April bei der Trainerklausur besprechen werden. Im Vordergrund wird stehen, dass wir junge Athleten schneller heranführen müssen. Dafür müssen wir beste Bedingungen schaffen und deshalb wird es auch Veränderungen in einigen Bereichen geben. Nach drei Jahren mit der gleichen Methodik ist es an der Zeit, neue Impulse zu setzen. Wir stehen in der Öffentlichkeit und werden alles Nötige dafür tun, im kommenden Winter eine bessere Saison abzuliefern. Deshalb beginnt nach einem Urlaub schon kurz nach Ostern das Training wieder.

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