Entehren wir die Übung

Daniel Lücking über die Vorbereitungen von Kriegen

Bekennend in einen Krieg zu ziehen, mag sich heutzutage kaum mehr ein Staat zumuten. Viel lieber wird »geübt«. China »übt« vor Taiwan. Auch Wladimir Putin marschierte an der Grenze zur Ukraine 2021 angeblich nur zu Übungszwecken auf. Ausdauernd und reichlich wurde und wird »geübt«. Im Juni wird im Nato-Rahmen im deutschen Luftraum mit US-Kampfjets das Bohei »Air Defender 23« veranstaltet, das rein äußerlich eigentlich aussieht wie Krieg. Kettenrasseln ist aber nicht nur bei der Nato angesagt. Die US-Streitkräfte schieben in Eigenregie mit 26 Partnerstaaten ihre »Defender 23«-Übung vorweg und lassen es schon ab Ende kommender Woche krachen.

Zu den unermesslichen Schwierigkeiten, vor denen die pazifistische Kleinarbeit aktuell steht, zählt nicht nur die Organisation eines Protests. Wer demonstriert mit wem, wofür oder vielleicht doch besser gar nicht. Bei fast deckungsgleichen Namen von Übungen und großen Schnittmengen von agierenden Ländern ist es kaum noch zu bewerten, wer da gerade was übt und ob überhaupt noch nur geübt wird.

Ausgerechnet zum Friedensfest provoziert ein ranghoher deutscher General, zuständig für den zeitgemäßen Umgang mit Soldat*innen, mit der Aussage: »Es geht darum, ob wir Menschen haben, die bereit sind, für Deutschland in den Krieg zu ziehen, die bereit sind, für ihre Überzeugung, für unsere Werteordnung bis ans Ende der Welt zu gehen.«

Absehbar dürfte leider der Überschallknall öfter das Land schütteln als der Wunsch, die Politik möge Frieden organisieren, statt Krieg »üben« zu lassen. Kurt Tucholsky hätte einiges zu tun dieser Tage und müsste wohl fast gar nichts an seinen Texten ändern, damit sie wieder in die heutige Zeit passen.

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