Marzahn-Hellersdorf: Rückzugsort im Plattenbauformat

Unterkunft soll Platz für wohnungslose Familien und Frauen mit Gewalterfahrungen bieten

Bescheidene Bleibe: Wohnraum in der Unterkunft an der Marchwitzastraße in Marzahn
Bescheidene Bleibe: Wohnraum in der Unterkunft an der Marchwitzastraße in Marzahn

Es ist laut am Mittwochmorgen in der Marchwitzastraße in Marzahn: Es wird gehämmert und geflext, die anwesenden Journalisten müssen Platz für einen Bagger machen, der ausgehobene Erde aus dem Hinterhof transportiert. In dem achtstöckigen Haus, an dem gearbeitet wird, entsteht eine Unterkunft für Wohnungslose. Heute soll der Schlüssel übergeben werden. Dass so intensiv gearbeitet wird, liegt daran, dass die Zeit drängt: Bereits am 8. Mai sollen die ersten Bewohner in die Unterkunft ziehen. In den Zimmern stehen schon Betten und Tische, Arbeiter schieben Kühlschränke und Waschmaschinen auf Sackkarren in das Gebäude.

Nicht immer war es sicher, dass die Unterkunft eröffnet wird. Die Planungen liefen bereits seit 2018, wie Kathrin Weidemeier, Geschäftsführerin des CDU-nahen Trägers Unionhilfswerk, gegenüber »nd« berichtet. Zwei Bauherren sprangen ab. »Das Bauprojekt stand lange Zeit still«, sagt sie. Zeitweilig füllte sich die bereits ausgehobene Baugrube mit Wasser. Nachdem sich mit dem landeseigenen Wohnungsbauunternehmen Berlinovo ein neuer Bauherr gefunden hatte, sei dann aber alles schnell abgelaufen. In Abstimmung mit der Berlinovo wurden die Baupläne überarbeitet, die Genehmigung durch das bezirkliche Stadtentwicklungsamt erfolgte in einer »Rekordzeit« von drei Wochen, berichtet Weidemeier.

Die neue Unterkunft soll nun für 160 Bewohner Platz bieten. Der Schwerpunkt liege dabei auf Familien. Die Räume könnten durch den Einsatz von Zwischentüren mit wenig Aufwand erweitert werden, sodass auch größere Familien hier Platz finden können. »Für Familien mit Kindern ist die Situation in anderen Unterkünften schwierig«, sagt Weidemeier. In den oberen Stockwerken gibt es einen abgesonderten Bereich für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder. Es gibt eine eigene Waschküche, man braucht eine Schlüsselkarte, um die Stockwerke zu betreten. Die betroffenen Frauen sollen so zur Ruhe kommen können. »Das macht viel mit der Psyche, wenn man sich zurückziehen kann«, sagt Weidemeier.

Auch Juliane Witt (Linke) lobt die schnelle Umsetzung. »Wenn alle an einem Strang ziehen, kann es auch in Berlin schnell gehen«, sagt sie bei ihrer Ansprache. Als Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung war sie an der Projektplanung beteiligt. Aber auch in Zukunft wird sie das Projekt begleiten: Am Dienstag war bekannt geworden, dass Witt im Zuge der Umbesetzung des Bezirksamts nach der Wiederholungswahl künftig als Bezirksstadträtin für Soziales wirken wird. Ihre künftige Chefin ist ebenfalls anwesend. Nadja Zivkovic (CDU) fungiert aktuell noch als Bezirksstadträtin für Soziales, nach dem Wahlsieg der CDU in Marzahn-Hellersdorf soll sie Bezirksbürgermeisterin werden. 

Eine kam dagegen nicht: Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hatte sich zur Schlüsselübergabe angekündigt, musste aber wieder absagen. An ihrem letzten Arbeitstag arbeitet sie stattdessen abends in einer Obdachlosenunterkunft in Kreuzberg mit. Mit anderthalb Jahren war sie nur kurz im Amt. Während die Amtszeit ihrer Vorgängerin Elke Breitenbach (Linke) als durchwachsen gilt, konnte sich Kipping schnell einen guten Ruf unter den Sozialverbänden erarbeiten.

Auch Kathrin Weidemeier betont die Unterschiede zwischen den beiden Linke-Politikerinnen. Breitenbach habe darauf gesetzt, Obdachlose in regulären Wohnungen statt speziellen Einrichtungen unterzubringen. »Bei den aktuellen Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt war das schwer umzusetzen«, sagt Weidemeier. Kipping habe das Erbe fortführen wollen. Trotz der großen Herausforderung, die Ukraine-Flüchtlinge unterzubringen, habe sie auch den Bereich Wohnungslosigkeit nicht aus den Augen gelassen. Kippings Nachfolgerin Cansel Kiziltepe (SPD) kann sie noch nicht einschätzen. »Wenn das, was im Koalitionsvertrag steht, auch umgesetzt wird, bin ich schon glücklich«, sagt Weidemeier. »Hier wird der Realität ins Auge geschaut und auf Qualitätsstandards in den Obdachloseneinrichtungen gedrängt.« Sie wünscht sich ein gemeinsames Ziel: »ein soziales Berlin«. 

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