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Der VfB Stuttgart will seine Relegationsgeschichte neu schreiben

Wirtschaftlich träfe die Schwaben ein Abstieg hart. Der Mannschaft stünde aber auch beim Klassenerhalt ein Umbruch bevor

Stuttgarts Waldemar Anton war nach dem 1:1 gegen Hoffenheim zunächst enttäuscht. Jetzt sagt er vor der Relegation: »Wir haben es in der eigenen Hand.«
Stuttgarts Waldemar Anton war nach dem 1:1 gegen Hoffenheim zunächst enttäuscht. Jetzt sagt er vor der Relegation: »Wir haben es in der eigenen Hand.«

Auch Trainer, die über das rhetorische Rüstzeug von Sebastian Hoeneß verfügen, dürften hoffen, dass ihnen bestimmte Fragen von Journalisten nicht gestellt werden. Der Coach, unter dessen Regie der VfB Stuttgart in acht Bundesligapartien nur einmal verloren hat, bekam eine solche zuletzt gleich zweimal gestellt – beide Male war es die gleiche. Nach den 1:1-Unentschieden gegen Leverkusen und Hoffenheim, Spielen bei denen Stuttgart mit einem Sieg jeweils den direkten Klassenerhalt geschafft hätte, sollte Hoeneß darlegen, warum er seinem Team eine so vorsichtige Herangehensweise verordnet hatte. Die Antwort – »Es wäre nicht richtig gewesen, wild drauflos zu stürmen« – fiel beide Male gleich aus. Sie lässt auch Rückschlüsse auf die beiden anstehenden Relegationsspiele gegen den Hamburger SV zu, die die Schwaben zuerst daheim an diesem Donnerstag und am kommenden Montag auswärts vor der Brust haben.

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Schließlich haben auch die Hanseaten ein spielstarkes Team beieinander – für Zweitligaverhältnisse allemal. Wäre der HSV in Sachen Konstanz sowie Balance zwischen Abwehr und Angriff ähnlich gut aufgestellt, wären fraglos die Hamburger statt Heidenheim und Darmstadt direkt aufgestiegen. Man darf also davon ausgehen, dass der VfB erneut auf Ball- und Spielkontrolle setzen wird, um gar nicht erst die Räume entstehen zu lassen, die der Gäste-Elf das Konterspiel erleichtern würden.

In den vergangenen zehn Relegationsduellen stieg als einziger Erstligist der VfB Stuttgart ab: 2019 schied er gegen den 1. FC Union Berlin aus, der kommende Saison Champions League spielen wird. Geradezu demonstrativ betonte nun VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, dass er die »Stuttgarter Relegationsgeschichte« zwar kenne, sie aber für irrelevant halte. »Jetzt müssen wir diese Verlängerung gut annehmen«, fordert er. »Ich glaube schon, dass wir dann die bessere Mannschaft sind.«

Und dann sagte er einen Satz, den zuletzt auch Hoeneß und Verteidiger Waldemar Anton so eindringlich wiederholt hatten, als sei er etwas anderes als eine Plattitüde: »Wir haben es in der eigenen Hand.« Ein Spruch, der wohl Selbstvertrauen dokumentieren und die Tatsache überspielen soll, dass der VfB fast schon dazu verdammt ist, dass es diesmal anders läuft als vor vier Jahren. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen: Im Zuge der Corona-Pandemie hat der Verein 90 Millionen Euro weniger Umsatz gemacht, ein Abstieg würde weitere 40 Millionen kosten. Die Einnahmen aus Fernsehrechten würden sich halbieren, ebenso wäre es beim Spieleretat, der bislang rund 60 Millionen Euro ausmacht. Und damit wäre das Horrorszenario noch längst nicht komplett: Der VfB wäre bei einem Abstieg alle Leistungsträger los, die notorisch zerstrittenen Vereinsgremien würden sich wohl endgültig zerfleischen.

Indes dürfte den Schwaben auch im Fall des Klassenerhalts ein Umbruch ins Haus stehen – nur dann eben ein freiwilliger. Trainer Hoeneß, das steht schon fest, bleibt auch im Abstiegsfall. Sehr wahrscheinlich wird ligaunabhängig ein neues Torhüterduo angestellt. Zu wacklig präsentierten sich Sven Müller und die derzeitige Nummer eins, Fabian Bredlow, über die gesamte Saison. Da wirkt es fast ironsch, dass die Torwartfrage vor dem Duell mit dem HSV zu den dringlicheren Aufstellungsfragen beim VfB zählt. Bredlow, der auch unter Hoeneß den Vorzug vor Müller erhielt, verletzte sich vor dem letzten Spieltag am Knie. Gegen Hoffenheim (1:1) hielt er über 90 Minuten durch, pausierte danach aber im Training. Nun sieht es so aus, als könne er gegen Hamburg auflaufen.

Unabhängig vom Ausgang der beiden Relegationsspiele ist allerdings die Verschlankung des aufgeblähten Kaders unerlässlich. Nachdem der im Winter geschasste Sportdirektor Sven Mislintat fast ausschließlich auf entwicklungsfähige, ausländische Spieler gesetzt hat, soll künftig das eigene Nachwuchsleistungszentrum wieder stärker berücksichtigt werden. Auf Hoeneß wartet also auch künftig jede Menge Arbeit – ob in der ersten oder in der zweiten Liga.

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