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Linke Vorstand: Sahra Wagenknecht soll Mandat abgeben

Linke-Bundesvorstand sagt sich von Sahra Wagenknecht los. Scharfe Kritik von Fraktionschefin

Was die Spitze der Linksfraktion im Bundestag wohl nicht tun wird, das hat nun der Linke-Bundesvorstand in einem am Samstag beschlossenen Papier getan: Er fordert die frühere Kovorsitzende der Fraktion, Sahra Wagenknecht, auf, ihr Mandat niederzulegen, sofern sie nicht von ihren Überlegungen Abstand nimmt, eine eigene neue Partei zu gründen. Die Linke-Kovorsitzende Janine Wissler sagte dazu, sie habe bis zuletzt versucht, Wagenknecht zu überzeugen, weiter in der Linken und für die Partei zu arbeiten, doch diese habe dazu »keinerlei Bereitschaft« erkennen lassen.

Praktisch ist der Vorstandbeschluss lediglich ein Appell, dem die Angesprochenen mutmaßlich in dieser Form nicht nachkommen werden. Eher dürften Wagenknecht und mehrere ihrer Vertrauten als fraktionslose Abgeordnete im Bundestag bleiben. Die Linke selbst verlöre damit ihren Fraktionsstatus, müsste viele Mitarbeitende entlassen und hätte deutlich weniger Handlungsspielraum. Die Linke war bei der Bundestagswahl 2021 mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, konnte aber in Fraktionsstärke ins Berliner Parlament einziehen, da sie drei Direktmandate erringen konnte. Sie hat aktuell 39 Abgeordnete.

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Obwohl der Schritt des Vorstands nach vielen Gesprächen mit Wagenknecht erfolgte, hagelte es anschließend schwere Vorwürfe gegen das Gremium. Nicht zuletzt kamen diese von der Kovorsitzenden der Bundestagsfraktion, Amira Mohamed Ali. Sie halte den Beschluss für einen »großen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt«, schrieb Mohamed Ali am Samstagabend auf Twitter. Die Linke habe »unseren Wählerinnen und Wählern und all den Menschen gegenüber, die ohne uns keine Stimme haben, eine wichtige Aufgabe«, so die Politikerin. »Vorstandsbeschlüsse gegen eigene Mitglieder zu fällen und öffentlich breit zu treten gehört nicht dazu!«

Zu Wagenknechts Aktivitäten und ihren öffentlichen Äußerungen über den unrettbaren Zustand der Linken, dessentwegen sie bis zum Jahresende über eine Parteineugründung entscheiden werden, hat sich Mohamed Ali bislang nicht geäußert und diese auch nicht als schädlich für die Partei kritisiert.

Erst am Freitag hatte Wagenknecht in einem Interview bekräftigt, Gespräche über die Gründung einer neuen Partei zu führen, darüber aber erst in vielen Monaten zu entscheiden, in denen Die Linke weiter in Ungewissheit darüber bleibt. Wagenknecht hatte auch erklärt, sie werde für Die Linke nicht mehr kandidieren. Zur Bundestagswahl 2021 war sie mit knappem Ergebnis erneut auf Platz 1 der Landesliste der nordrhein-westfälischen Linken gewählt worden. Zuvor hatte sie monatelang in Talkshows erklärt, Die Linke wolle »grüner als die Grünen« werden, interessiere sich nicht mehr für die Interessen derer, die nicht »auf der Sonnenseite des Lebens« stünden und präferiere Debatten über die Rechte von Minderheiten.

Scharfe Kritik am Beschluss kam am Sonntag auch von den Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst und Alexander Ulrich, die den Vorstand aufforderten, »seinen geschlossenen Rücktritt zu erklären«. Die Appelle an Wagenknecht seien »absurd«, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Darin beschuldigen die Verfasser den Vorstand, die Partei mit dem Beschluss vom Samstag »zu spalten und in die Bedeutungslosigkeit zu führen«. Wagenknecht solle »auf keinen Fall ihr Mandat zurückgeben«, so Ernst und Ulrich, denn sie spreche »für Millionen Menschen in der Bevölkerung und für tausende Mitglieder an der Parteibasis, die sich von diesem Vorstand und seinem Kurs nicht mehr vertreten fühlen«.

Ernst wie auch Ulrich könnten zu denen gehören, die mit Wagenknecht die Fraktion verlassen, ebenso wie deren Vertraute Sevim Dagdelen und ihr früherer Mitarbeiter Christian Leye, der seit 2021 selbst ein Bundestagsmandat innehat und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion ist. Er kommentierte den Vorstandsbeschluss auf Twitter und schrieb: »Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne politische Bedeutung. Das heutige Manöver ist ein weiterer Schritt Richtung Abgrund. Wer der prominentesten Politikerin ständig den Stuhl vor die Tür stellt, darf sich nicht wundern, wenn die Party irgendwann draußen steigt.«

Linke-Kochefin Janine Wissler begründete das Vorgehen damit, dass Wagenknecht die Partei von innen infrage stelle. Der Vorstand »kämpft um die Einheit der Partei und gegen alle Versuche, sie zu spalten«, sagte sie. »Aus unserer Sicht ist klar: Sahra hat sich entschieden.« Wissler sprach von einem »Damoklesschwert, das über der Partei hängt«. Der Vorstand werde es nicht hinnehmen, dass die Wählerinnen und Wähler »bis Ende des Jahres verunsichert werden«.

Im Beschluss heißt es, die Ankündigungen Wagenknechts, die Gründung einer neuen Partei zu prüfen, »schaden uns seit geraumer Zeit massiv«. Wenn einzelne sich systematisch über demokratisch in der Partei gefasste Beschlüsse hinwegsetzten und ihr »durch die Drohung mit der Gründung einer konkurrierenden Partei« einen »anderen Kurs« aufzwingen wollten, seien das »schlicht Erpressungsversuche«. Es sei »ein Gebot des politischen Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligen, konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben«.

Beifall für die Stellungnahme des Vorstands kam von Bernd Riexinger, wie Klaus Ernst Ex-Linke-Vorsitzender. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, aus Respekt vor der eigenen Partei, der Wagenknecht einiges verdanke, »wäre die Mandatsniederlegung der richtige Weg«. Der Beschluss sei ein Signal »an alle Mitglieder der Linken, die den Weg zu einer modernen, demokratisch-sozialistischen Partei mit einem klaren Begriff von internationaler Solidarität weiter gehen wollen, und eine Einladung an alle, die sich bisher daran gehindert sahen, bei diesem Projekt mitzumachen«.

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