Höhenflug der Rechtspopulisten: Braunes Wasser

Wenn andere Parteien die AfD kopieren, nutzt das nur der AfD, meint Leo Fischer

20 Prozent hat die AfD in aktuellen Umfragen. In einigen ist sie zweitstärkste Partei. Nichts kann die Begeisterung der Deutschen für diese Partei bremsen: nicht die öffentliche Ächtung, nicht die Aufdeckung von Skandalen, nicht die Warnungen der Geheimdienste. Und auch nicht die Radikalisierung: Mit jedem Führungswechsel wurde die Partei brauner. Der völkische Flügel, früher eine belächelte Splittergruppe, hat sich voll durchgesetzt, ist vom Parteiganzen nicht mehr zu trennen. Dem Erfolg tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil.

Bezeichnend sind die Reaktionen. Die bürgerlichen Analysen sind sich einig: Man darf rechtsextreme Politik nicht den Rechtsextremen überlassen! Sie finden es schade, dass die von ihnen gewünschte Politik von einer Partei vertreten wird, die rechtsextrem ist; sie empfehlen, diese Politik von einer bürgerlichen Partei machen zu lassen, denn so wird daraus automatisch bürgerliche Politik. Die 20 Prozent der Wahlbevölkerung, die rechtsextreme Einstellungen hegen, müssen wieder eingefangen werden – indem andere Parteien AfD-Forderungen umsetzen. Denn sonst, so die Warnung, werden diese Menschen mit rechtsextremen Einstellungen rechtsextrem! Wenn hingegen die bürgerliche Politik die rechtsextremen Bedürfnisse dieser Menschen erfüllt, werden sie nicht mehr der AfD zulaufen, sondern einer bürgerlichen Partei, die rechtsextreme Politik macht. Was dabei der Gewinn sein soll, wird nicht erklärt.

Manche Linke hingegen bauen nach wie vor auf die so abgedroschenen wie widerlegten Thesen von der Protestwahl. Die AfD-Wähler seien ökonomisch abgehängt, sie litten ja nur unter der Inflation, unter den Energiepreisen. Die Professoren- und Millionärspartei AfD, so diese Linken, sei die Anwältin der kleinen Leute, obwohl in ihrem Programm nichts davon steht, die kleinen Leute zu entlasten, im Gegenteil. Die kleinen Leute hätten kein Verständnis für Genderthemen oder Rassismusbekämpfung, weil kleine Leute ja bekanntlich nicht schwul, nichtweiß oder Frauen sind. Tatsächlich richtet sich das Programm der AfD ja gerade gegen diejenigen, die die Drecksarbeit machen, Leute ohne Pass, gefangen in der Vorhölle einer Schlachterei oder in der Knochenmühle eines Logistikdienstleisters, von deren Ausbeutung das eigentliche AfD-Klientel weiter profitieren möchte.

Dennoch gibt es Linke, die wollen, dass man weiter auf die AfD zugehe: Den »Unmut« der Menschen, wie man verhärteten Rassismus dort nennt, gelte es zu verstehen. Unmut ist gewissermaßen sozialer Wasserdruck, der nur wieder auf den richtigen Weg gebracht werden müsse; eine Naturkraft, die es zu zähmen gilt. Braunes Wasser muss einfach nur in neue Rohre geleitet werden, um klar zu werden. Als allerhärteste Maßnahme bleibt dann noch ein interkulturelles Training, wenn sich die Abgehängten, ups, mal wieder als hochbezahlte Staatsbeamte in Sicherheitsbehörden herausstellen.

Wenn die Weimarer Zeit für irgendwelche Lehren taugt, dann für solche über die Hybris konservativer und sozialdemokratischer Sozialingenieure, die glaubten, die faschistischen Bedürfnisse in der Bevölkerung kontrollieren und kanalisieren zu können. 20 Prozent für diese Partei sind kein Potenzial, keine unausgeschöpfte Ressource, an der sich noch gewinnen ließe. Das inhumanste Asylrecht seit 30 Jahren hat der Ampel-Regierung nicht eine AfD-Stimme zurückgebracht. Je mehr man diese Bedürfnisse bedient, desto mehr Legitimität werden sie erhalten.

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