• Wissen
  • Dr. Schmidt erklärt die Welt

Der Kranich und die dicken Brocken

Ob Platte oder Wolkenkratzer – ohne Kran geht's nicht. Aber waren Kräne in der DDR ganz anders als heute?

Der Kranich und die dicken Brocken

Ein nd-Leser fragte, warum die Kräne heute oft anders aussehen als zu DDR-Zeiten. Damals habe es vertikal schwenkbare Ausleger gegeben, heute fast nur noch starre Ausleger mit Laufkatze, einem fahrbaren Seilzug. Stimmt das?

Dr. Schmidt erklärt die Welt

Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsjournalist Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt

Partiell. In meiner Kindheit, in den 60er Jahren, würde ich sagen ja, auch noch in den 70ern. Aber beispielsweise am früheren »Hotel Stadt Berlin« am Alexanderplatz war ein Kran mit starrem Ausleger und Laufkatze im Einsatz. Weil die Erinnerung täuschen kann, habe ich befreundete Architekten gefragt. Die meinen, dass schon in den 70ern überwiegend die starren Ausleger üblich gewesen seien. Auf alten Fotos im Internet finde ich beim Bau der Hochhäuser in der Leipziger Straße solche mit starren Auslegern, beim Palast der Republik dagegen die Kräne, von denen unser Leser sprach.

Also ist es weniger eine Ost-West- als eine Frage der technischen Entwicklung?

Teils, teils. Kräne mit starren Auslegern gibt es schon ewig. Auf dem berühmten Gemälde »Der Turmbau zu Babel« von Breughel sind Kräne zu sehen. Ein Wimmelbild, aber das Original im Kunsthistorischen Museum Wien ist ziemlich groß. Diese Kräne sind starr und wurden mit Menschenkraft bewegt. Da war ein Laufrad drin und ein Flaschenzug. Die beweglichen Ausleger kamen, soweit ich weiß, erst im 20. Jahrhundert auf. Und die starren Ausleger mit Laufkatze sogar erst in den 60er Jahren. Anscheinend zuerst bei den Franzosen.

Was kann der eine Typ, was der andere nicht kann?

Mit dem beweglichen Ausleger braucht man in der Regel viel mehr Zeit, um mit einer Last einen beliebigen Punkt im Raum zu erreichen. Wenn du den Ausleger jedes Mal hochleiern musst und wieder runter, dauert das viel länger als mit der Laufkatze am waagerechten Ausleger. Die kriegt die Last auch einfacher nahe am Mast unter. Vorteile haben beide, es kommt auf den Zweck an. Die schrägen Ausleger können beispielsweise Hindernisse leichter umgehen.

Beliebte Frage: Was tut ein Kranführer oben in der Kanzel, wenn er mal muss?

Das muss er gut planen. Bei den hohen Kranen muss man ein ganzes Stück klettern.

Oder eine starke Blase haben.

Ich fürchte schon. Es gab aber auch Kräne, deren Kanzel hoch- und runterfahren kann.

Kräne sind eine alte Erfindung, schon in der Antike gab es Vorläufer.

Jein. Das Wort Kran leitet sich von Kranich ab, wohl wegen dessen Hals. Diesen Wortzusammenhang gab es schon bei den alten Griechen. In der Antike spielte zunächst der Flaschenzug eine Rolle, wenn es um große Lasten ging.

Immerhin haben sie damals schon imponierende Gebäude errichtet.

Ich war neulich im Pergamonmuseum, vor der nächsten langen Schließung. Da stehen zwei Säulen des Jupiter-Tempels von Baalbek. Noch gewaltiger sind in Baalbek die Fundamente des Tempels mit den drei größten je verbauten Steinen. Größer als alles, was bei den Pyramiden war. Keine Ahnung, wie sie die damals bewegt haben. Für den Schweizer Ufologen Erich von Däniken war das ja Beweis dafür, dass das Außerirdische gewesen sind. Die Säulen sind aus rotem ägyptischen Granit. Unglaublich, wie sie die ohne Schwerlasttransporter aus Ägypten bis ins Landesinnere des heutigen Libanon gekriegt haben.

Leonardo da Vinci hat im 15. Jahrhundert einen Doppeldrehkran entworfen. Ziemlich revolutionär.

Der hat sich auch Flugmaschinen ausgedacht, Fallschirme und einen Vorläufer des Hubschraubers – alles Sachen, die man damals gar nicht bauen konnte. Beim Doppeldrehkran mit Auslegern nach beiden Seiten hat er gleich noch elegant das Problem des nötigen Gegengewichts gelöst.

Wie heißt es richtig: Kräne oder Krane?

Der Duden erlaubt beides. Die Fachsprache legt sich auf Krane fest, die Alltagssprache tendiert zu Kräne.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal