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Berlin: Kleine Kehrtwende an der Friedrichstraße
Senat will Gehwege verbreitern und Bäume pflanzen
Im Wahlkampf 2023 war sie in aller Munde: die Friedrichstraße in Mitte. Die CDU machte sie zum Symbol einer gescheiterten rot-grün-roten Verkehrspolitik. Seit die Einkaufsmeile in einem Abschnitt für den Autoverkehr gesperrt worden war, so die in unzähligen Wahlkampfreden wiederholte Erzählung, sei der Einzelhandel in der historischen Innenstadt ausgestorben. Schon im Vorjahr hatte eine Weinhändlerin vor Gericht erreicht, dass die Autos wieder rollen durften.
Nun, zwei Jahre später, vollzieht die CDU bei der Friedrichstraße eine Kehrtwende – zumindest ein wenig. Autos sollen zwar auch zukünftig die Friedrichstraße auf ihrer gesamten Länge befahren dürfen – allerdings auf deutlich weniger Fläche. Das verkündeten der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und Verkehrssenatorin Ute Bonde (beide CDU) am Montag. Demnach sollen die Bürgersteige an der Einkaufsstraße deutlich wachsen und zukünftig zwei Drittel der Straßenfläche einnehmen. Dafür sollen Parkplätze an der Straße wegfallen.
Auf den Bürgersteigen sollen Bäume gepflanzt werden. Der Autoverkehr soll den Plänen nach auf eine Geschwindigkeit von 20 bis 30 Kilometern pro Stunde begrenzt werden. Betroffen von den geplanten Maßnahmen ist nur der Bereich zwischen den Straßenkreuzungen Unter den Linden und Schützenstraße.
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»Wir wissen alle, dass der heutige Zustand der Friedrichstraße nicht hinnehmbar ist«, sagte Wegner bei der Vorstellung des Konzepts. Die Sperrung unter der Vorgängerregierung habe zu einer »erheblich nachteiligen Entwicklung« geführt. Nun solle es »im wahrsten Sinne des Wortes ein Comeback für die Friedrichstraße« geben, sagte Wegner. Die Erwartungen setzte der Regierende hoch: »Die Friedrichstraße wird ein Vorbild moderner Stadtentwicklung«, versprach er.
»Alle Verkehrsteilnehmer werden die Friedrichstraße nutzen können«, stellte Verkehrssenatorin Ute Bonde in Aussicht. »Es wird keine Konkurrenz geben, sondern ein Miteinander.« Die Friedrichstraße solle am Ende wieder ein Einkaufsboulevard auf dem Niveau des Kurfürstendamms in Charlottenburg sein. Die wegfallenden Parkplätze sollen durch bereits bestehende Parkhäuser ausgeglichen werden, die aktuell kaum genutzt würden.
Bis die Umbauarbeiten beginnen, kann es nach Bondes eigener Aussage aber noch etwas dauern. Man werde zunächst eine Arbeitsgruppe in der Senatsverkehrsverwaltung einrichten, zudem werde man eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. »Wir wissen noch nicht, wann wir in die Umsetzung kommen werden«, so Bonde. Auch auf eine weitere durchaus gewichtige Frage antwortete sie unkonkret: »Wir können noch nicht sagen, was es kosten wird.«
In der Opposition trifft die Senatsentscheidung auf Zustimmung. »Dass die CDU Parkplätze entfernt, um Platz für Gehwege und Bäume zu schaffen, zeigt eine erfreuliche Hinwendung zu einer vernünftigen Stadtentwicklung«, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Grünen-Abgeordneten Christoph Wapler und Antje Kapek. Die neuen Pläne für die Friedrichstraße stellten eine Korrektur der verfehlten CDU-Verkehrspolitik dar, »die den Niedergang der Friedrichstraße deutlich beschleunigt hat und die Straße zudem in eine Gefahrenzone verwandelt hat«. Letzteres ist eine Anspielung auf eine von der Allianz-Versicherung herausgegebene Liste von Unfallschwerpunkten in Berlin, die die Friedrichstraße mit 49 Unfällen mit Personenschäden im Jahr 2024 anführt.
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