BUND-Kleingewässer-Report: Keine Teiche für die Lurche

Viele Kleingewässer in Berlin trocknen aus. Der BUND will ein Sofortprogramm

Auf der Suche nach den Knoblauchkröten-Kaulquappen: Naturschützer Albert Poustka bei der Arbeit
Auf der Suche nach den Knoblauchkröten-Kaulquappen: Naturschützer Albert Poustka bei der Arbeit

Eine niedrig gelegene Fläche, die offenkundig einmal ein Teich war, ist mit Gras und Schilf bewachsen, aber zugänglich. »Vorsicht, an manchen Stellen ist es noch etwas sumpfig«, sagt Albert Poustka von der Koordinierungsstelle Fauna der Stiftung Naturschutz Berlin. In Gummistiefeln geht er voran, holt einen kleinen Kescher hervor und greift in einen Wasserbottich, der in den Boden eingesetzt wurde. Im Heinersdorfer Rohrpfuhl in einer Pankower Kleingartensiedlung sucht er nach Knoblauchkröten-Kaulquappen.

»Wir führen hier in diesem Jahr wissenschaftliche Amphibien-Kartierungen durch. Hier lebt die größte Knoblauchkröten-Population im ganzen Umfeld«, sagt Poustka. Weil der Teich aber jeden Sommer fast vollständig austrocknet, sind die kleinen Tiere dort stark gefährdet. Knoblauchkröten gehören in Berlin zu den bedrohten Amphibienarten. Zu ihrem Erhalt wurden die mit Wasser befüllten Bottiche von einer ehrenamtlichen Initiative aufgestellt, damit die Tiere dort leben können, während der Teich trocken ist.

»Die Stiftung Naturschutz ist hier dran. Wenn die wissenschaftliche Kartierung abgeschlossen ist, dann stellen wir mit der UNB (Untere Naturschutzbehörde) einen Plan zur Renaturierung auf«, sagt Poustka. Im vergangenen Jahr habe es bereits eine große Rettungsaktion der Kaulquappen gegeben, weil Hunderte von ihnen in den letzten zwei Zentimetern Teichwasser gefunden wurden, bevor die Hitze ihn komplett hat austrocknen lassen. »Die wären alle gestorben.«

Die Situation der Kleingewässer und der in ihnen lebenden Lurche ist in ganz Berlin dramatisch. Viele trocknen aus, Schilf macht sich breit und nimmt den Lebensraum der kleinen Tierchen, zudem wird die Wasserqualität durch Zuführungen von Giftstoffen verschlechtert. Der Umweltverband BUND Berlin hat dies in seinem jährlichen Kleingewässerreport detailliert untersucht, in diesem Jahr anhand der Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Marzahn-Hellersdorf und Pankow. »Insgesamt leiden dort über die Hälfte (51,5 Prozent) unter bedrohlichem Wassermangel bis hin zur völligen Austrocknung«, so das Fazit des Berichts. Untersucht wurden 157 stehende Gewässer bis zu einer Größe von 10 000 Quadratmetern.

Am größten sind die Mängel in Marzahn-Hellerdorf. Von den 90 bewerteten Gewässern weisen nur 33 keine Mängel auf. In Charlottenburg-Wilmersdorf hingegen wurden nur 19 Gewässer untersucht, davon 9 ohne Mängel. »Das liegt auch am Grunewald, wo fast alle Gewässer ausgetrocknet sind«, sagt Norbert Prauser vom BUND während der Vorstellung des Reports. In Pankow ist die Situation etwas besser, weil dort viele Ersatzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Von den 48 Gewässern sind 30 ohne Mängel.

Der Kleingewässerreport teilt die Teiche in vier Kategorien als Lebensraum für Amphibien ein. Knapp 40 Prozent der untersuchten Gewässer weisen dabei eine hohe Lebensraumqualität auf, 24 Prozent könnten mit einfachen Pflegemaßnahmen wieder für Amphibien hergerichtet werden, 25 Prozent müssten mit hohem Aufwand saniert werden. »Fast jedes achte untersuchte Gewässer (12,1 Prozent) ist unserer Einschätzung nach nicht mehr zu retten«, heißt es im Bericht.

»Es ist eine gefährliche Situation, wenn Teich um Teich verschwindet und sich niemand drum kümmert«, so Prauser auf dem Weg durch die Heinersdorfer Kleingärten zu »nd«. Einmal über die Tino-Schwierzina-Straße rüber ist ein anderer Teich zu sehen beziehungsweise nicht zu sehen. Meterhohes Schilf und Rohrkolben bewachsen die Fläche, nur ein kleines Stück Gewässer liegt frei. »Das ist eine Katastrophe für die Amphibien. Sie haben keinen Platz, um hier ihren Nachwuchs aufzuziehen.«

Dabei wäre es gar nicht so aufwendig, einen solchen Teich als Biotop für die Amphibien zu erhalten. Eigentlich müssten hier jedes Jahr die Pflanzen zurückgeschnitten werden, sagt Albert Poustka. Aber hier sei das dem Anblick nach zu urteilen in den letzten zehn Jahren nicht passiert. »Das Schilf und die Rohrkolben hätten sich nie so weit ausbreiten dürfen«, so der Naturschützer.

Die Kleingewässer würden kaum gepflegt, weil die Grünflächenämter der Bezirke nicht genügend Geld und Personal zur Verfügung haben. Fast 60 Prozent der im Kleingewässerreport untersuchten Teiche aber liegen in der Verantwortung der Bezirke. »Bei den Bezirksgewässern ist der Zustand am schlechtesten«, sagt Norbert Prauser.

Der BUND fordert deshalb mehr Geld für die Straßen- und Grünflächenämter im kommenden Landeshaushalt, die zweckgebunden für die Pflege der Gewässer verwendet werden. Um so schnell wie möglich auf den Teichschwund zu reagieren, soll außerdem ein Sofortprogramm für 50 Kleingewässer aufgesetzt werden. Dafür sollen Kleingewässer ausgewählt werden, die innerhalb kurzer Zeit mit geringem Aufwand saniert werden können und wertvolle Orte für die Lurche sind. »Man könnte innerhalb von zwei Jahren etwa 20 Prozent der Gewässer für die Amphibien zurückgewinnen«, sagt Prauser.

Darüber hinaus will der BUND mit den Berliner Wasserbetriebe zusammenarbeiten. »Dort gibt es hochkompetentes Fachpersonal, das gerne mithelfen will«, sagt Prauser. Jedoch sei es den Wasserbetrieben im Rahmen des Gebührenrechts nicht möglich, Ressourcen in den Schutz der Kleingewässer zu stecken. Dort brauche es eine Anpassung.

Für den zugewachsenen Teich im Heinersdorfer Kleingarten hat Prauser noch Hoffnung. »Hier gibt es eine echte Perspektive, weil hier Wasser zufließt«, sagt er und zeigt auf den frei liegenden Wasserbereich inmitten des hohen Grün.

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