Wie die Fußballerinnen der Philippinen ein ganzes Land bewegen

Die Frauen machten die erste Teilnahme an einer WM überhaupt möglich – und gewinnen gegen Neuseeland

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein Treffer für die Ewigkeit: Sarina Bolden (l.) erzielte das erste philippinische Tor bei einer Fußball-WM.
Ein Treffer für die Ewigkeit: Sarina Bolden (l.) erzielte das erste philippinische Tor bei einer Fußball-WM.

Auch wenn die WM-Premiere nicht sonderlich erfolgreich geriet, war daheim nur Stolz zu vernehmen. »Filipinas zeigen Herz und Courage«, titelte die Tageszeitung »Philippine Inquirer«. Das Nachrichtenportal ABS-CBN schrieb von einem »emotionalen Debüt«. Dass die philippinischen Fußballerinnen ihr Auftaktspiel am vergangenen Freitag chancenlos mit 0:2 gegen die Schweiz verloren hatten, war zweitrangig. Schließlich ist im südostasiatischen Land mit seinen 114 Millionen Einwohnern Dabeisein gerade alles.

Erstmals konnte sich eine philippinische Auswahl – ob Frauen oder Männer – überhaupt für eine Weltmeisterschaft im Fußball qualifizieren. Und das sorgt für großes Interesse im Land. Seit Dienstag ist daraus noch viel mehr geworden: Sarina Bolden hat das erste WM-Tor für die Philippinen erzielt. Und weil das Team taktisch gut und diszipliniert spielte, war es zugleich der Siegtreffer beim 1:0 (1:0) gegen Gastgeber Neuseeland in Wellington. »Ich kann gar nicht glauben, was wir erreicht haben«, sagte Mittelfeldspielerin Sara Eggesvik unter Tränen, »es zeigt, dass wir Großes erreichen können.«

Bis vor Kurzem waren die »Filipinas« – wie sich das Team selber nennt – nur Fachleuten bekannt. Aber seit klar war, dass sie bei der WM der Frauen dabei sein würden, sind sie eine nationale Sensation. »Das beste Jahr in der Geschichte unserer Frauennationalmannschaft wird immer besser!«, schwärmte der führende Fernsehsender CNN Philippines schon im vergangenen Sommer. Denn wenige Monate nach der im Januar 2022 gelungenen WM-Qualifikation gelang dem Team ein weiterer Erfolg: Mit einem 3:0-Sieg im Finale gegen die Favoritinnen aus Thailand gewannen die Philippinen die Südostasienmeisterschaft. Das Onlineportal »Rappler« sieht in den Fußballerinnen eine »Inspiration für künftige Generationen«.

Lob kommt auch von ganz oben. Ferdinand Marcos Junior, Präsident der Philippinen, hat die Frauen auf seinen Amtssitz in der Hauptstadt Manila eingeladen und schwärmte vor laufenden Kameras: »Es sind die Jahre gebrachter Opfer und harten Trainings. Ich kann nur erahnen, wie hart es gewesen ist, während der Pandemie zu trainieren. Sport ist ja viel mehr, als nur Spiele zu spielen«, sagte Marcos Junior, der die Erfolge der Fußballerinnen offenbar auch für seine eigene Popularität nutzen wollte: »Ihr macht uns stolz – auf euch und darauf, Filipinos zu sein.«

Anlass zu Nationalstolz hat der Fußball auf den Philippinen – auch hier mittlerweile eine der beliebtesten Sportarten – bisher wenig gegeben. Seit gut zehn Jahren versucht die männliche Nationalmannschaft, eine regionale Macht zu werden. Dazu setzt der Verband vor allem auf die große Population der Auslandsfilipinos, die als Kinder von philippinischen Arbeitsmigranten in fußballaffinen Ländern wie Spanien, der Schweiz, Deutschland oder Großbritannien aufwachsen. Das Niveau der Auswahl hat sich seitdem auch enorm verbessert. Aber eine WM-Qualifikation scheint bislang fern.

Die Frauen haben mehr Erfolg. Auch dort wird nach Talenten im Ausland gesucht, vor allem nach Spielerinnen aus den USA, die dort als Tochter eines philippinischen Elternteils groß geworden sind. Denn wer in dieser Hochburg des Fußballs der Frauen eine Ausbildung durchläuft, sollte den philippinischen Fußball auch dann noch voranbringen, wenn es in den USA nicht ganz bis nach oben reicht. Der Kader ist mittlerweile gespickt von Fußballerinnen mit US-amerikanischem Hintergrund. Dazu gehören die Torhüterin Olivia Davies-McDaniel, Abwehrchefin Hali Long sowie die beiden Stürmerinnen Sarina Bolden und Tahnai Annis.

Das ganze Team fiebert nach der Niederlage zum Auftakt und dem Sieg am Dienstag nun dem letzten Gruppenspiel am kommenden Sonntag gegen Norwegen entgegen. Wieder sind die Filipinas Außenseiterinnen. Aber Siegerinnen sind sie schon jetzt. »Es war sehr emotional, es ist unglaublich. Es war vielleicht im Mannschaftssport der größte Erfolg für die Philippinen«, sagte Trainer Alen Stajcic nach dem Spiel gegen Neuseeland. Und als Dritter hinter den Schweizerinnen, die am Sonntag zeitgleich gegen die Neuseeländerinnen spielen, besteht immer in der Gruppe A noch die Chance auf Platz zwei und das Weiterkommen bei der WM.

Zu Stars sind die philippinischen Fußballerinnen in der Heimat aber schon vorher geworden. Und mit dem neuen Ruhm ist auch ein neuer Name gekommen. Bisher nannte sich die Auswahl nicht »Filipinas«, sondern »Malditas«. Auf Filipino steht das für »brutal« oder »kämpferisch.« Auf Spanisch, wo der Begriff herkommt, bedeutet es aber »verdammt« oder »höllisch.« Und das hält man nicht mehr für angemessen. Denn einerseits sind die Philippinen ein zutiefst katholisches Land. Andererseits schaut bei der WM die ganze Welt zu.

»Hoffentlich sind wir uns alle einig, dass wir nicht wollen, dass unsere Nationalmannschaft mit einem Spitznamen zur WM fährt, der auf Spanisch oder Portugiesisch etwas Schlechtes bedeutet«, erklärte Teammanager und Sponsor Jeff Cheng gegenüber nationalen Medien. Und: »Hoffentlich will kein philippinischer Fußballfan unsere Heldinnen mit einem schlechten Namen bezeichnen.« Flavie Villanueva, katholischer Pastor in Manila, will da nicht widersprechen. Über den abgeschafften Namen sagt er: »Er ist schwierig.«

Die Spielerinnen vermeiden den Begriff seither, freuen sich stattdessen über den Medienboom, der rund um sie herum herrscht. Mittelfeldspielerin Sara Eggesvik erklärte: »Es ist absolut verrückt. Die Aufmerksamkeit, die wir jetzt für Fußball hier auf den Philippinen kriegen, ist wirklich toll. Ich hoffe, das hilft dabei, den Sport hier noch größer zu machen.« Eggesvik gehört zu den Spielerinnen, die nicht auf den Philippinen aufgewachsen sind. Sie kommt aus Norwegen, wo Fußball seit Jahrzehnten auch unter Mädchen und Frauen populär ist. Für eine erfolgreiche Fußballkarriere sei die 26-Jährige sogar bereit, ihr Medizinstudium ruhen zu lassen.

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