Die Linke: Die Fronten werden klarer

Die Debatte um die Zukunft der Linken geht weiter. Klaus Ernst stellt sich gegen den Parteivorstand

Die Auseinandersetzung um die Zukunft der Linkspartei geht in die nächste Runde, nachdem jüngst auch die Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali angekündigt hatte, sich zumindest teilweise aus dem Politbetrieb zurückzuziehen. Die Wagenknecht-Vertraute erklärte am Sonntag, sie wolle nicht erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren. Ob sie auch die Partei verlässt, ließ sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk offen.

Die Reaktionen in der Partei gehen weit auseinander, während viel auf dem Spiel steht. Denn ihre Bundestagsfraktion könnte Gefahr laufen, ganz zu zerbrechen: Sollten drei oder mehr Abgeordnete ihr den Rücken kehren, wird sie nämlich aufgelöst. Einer von denen, die mindestens andeuten, dass sie diesen Schritt gehen könnten, ist der frühere Ko-Vorsitzende der Partei, Klaus Ernst.

Am Mittwoch schaltete sich Ernst, der seit fast 15 Jahren für Die Linke im Bundestag sitzt, einmal mehr mit markigen Worten in die parteiinterne Debatte ein und übte dabei scharfe Kritik am Parteivorstand: Es gebe »eine große Truppe politikunfähiger Clowns in der Partei«, sagte er dem Bayerischen Rundfunk (BR). Damit meine er zum einen Teile des Vorstands, aber auch der Basis. »Es gibt Leute in der Partei, deren Kontakt zur Arbeit sich darauf beschränkt, dass sie mal als Schüler oder Student ein Regal bei Aldi eingeräumt haben«, meinte der gelernte Elektrotechniker und ehemalige Gewerkschafter aus Bayern, der später Sozialökonomie studierte.

Ernst ist ein enger Vertrauter der Bundestagsabgeordneten und früheren Ko-Vorsitzenden der Fraktion, Sahra Wagenknecht, die seit April mit der Gründung einer eigenen Partei droht. Ernst sagte dazu, ein Fraktionsaustritt sei für ihn »momentan kein Thema«. Er bekräftigte aber, Wagenknecht zu unterstützen, falls diese eine eigene Partei gründe.

Der stellvertretende Linke-Vorsitzende und oberbayerische Bundestagsabgeordnete Ates Gürpinar verteidigte gegenüber dem BR indes den Vorstandsbeschluss zu Wagenknecht und ihren Anhängern. Dass die Parteispitze Abgeordnete, die unter Nutzung von Ressourcen der Linksfraktion an einem neuen Parteiprojekt arbeiten, zur Rückgabe ihrer Mandate aufgefordert habe, sei »notwendig und nachvollziehbar« gewesen.

Nachdem Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch in Reaktion auf Mohamed Alis Rücktritt vor dem Zerfall der Bundestagsfraktion gewarnt hatte, sprach sich unterdessen Sören Pellmann, der ebenfalls viele Positionen Wagenknechts teilt, für mehr Zusammenhalt aus. Am Dienstag forderte er einen Parteikonvent, der noch vor der Fraktionsklausur Ende August und der Neuwahl des Fraktionsvorstands am 4. September stattfinden solle. Der Leipziger Bundestagsabgeordnete und Ostbeauftragte der Linksfraktion mahnte: »Es wird eine gemeinsame Zukunft mit der Linken nur geben, wenn wir es gemeinsam hinbekommen.«

Die Linke-Ko-Vorsitzende Janine Wissler hatte sich dem Vorstoß Pellmanns gegenüber aufgeschlossen gezeigt. Sollte der Konvent stattfinden, wird es zum Großteil wohl auch um Wissler selbst und ihre Haltung gegenüber Sahra Wagenknecht gehen.

Auch der Leipziger Stadtverband der Linken unterstützt Pellmanns Vorstoß. »Diese Idee steht im Geiste unserer Leipziger Doppelbeschlüsse, mit denen wir die ›Einberufung eines außerordentlichen Parteitages‹ und eine ›Verständigung und Versöhnung‹ der verschiedenen ›Lager‹ unserer Partei anstrengen wollten«, heißt es in einer Erklärung der Leipziger Linken vom Mittwoch. Zahlreiche Kreisverbände unterstützten dies. Die Leipziger Linke hatte bereits im März eine Initiative für einen Sonderparteitag gestartet, aber nur die Hälfte des dafür notwendigen Quorums erreicht. Das Ergebnis zeige jedoch, dass es einen großen Wunsch gibt, die Partei und ihre Strömungen wieder zu vereinen, teilte der Stadtverband jetzt mit.

Was genau in einem solchen Zusatzkonvent inhaltlich besprochen werden soll, bleibt bisher allerdings unklar. Seit dem Frühjahr hatten im ganzen Land sogenannte Regionalkonferenzen stattgefunden, zu denen alle Mitglieder aus den betreffenden Bundesländern eingeladen waren. Dort konnte unter Ausschluss der Öffentlichkeit über innerparteiliche Konflikte und die Zukunft der Linken diskutiert werden.

Die Fronten im Streit um die Zukunft der Linkspartei werden in diesen Tagen klarer. Auf der einen Seite steht der Parteivorstand, der eine Neuausrichtung hin zu einer links-progressiven und dennoch klassenbewussten, weg von einer sozialkonservativen und tendenziell russlandfreundlichen Politik anstrebt. Die Entscheidung, Carola Rackete als Spitzenkandidatin für die Europawahl 2024 vorzuschlagen, verdeutlichte diesen Kurs. Das zweite Lager wird von Wagenknecht-Unterstützern dominiert. Sie kritisieren, der Vorstand mache Politik für »Lifestyle-Linke« und vernachlässige die Interessen der Arbeiterklasse. Wer aus dem Konflikt als Gewinner hervorgeht oder ob es nur Verlierer gibt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

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