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Spaniens Fußballerinnen feiern nach 1:0-Finalsieg ersten WM-Titel

Die Masse an Talent hat sich durchgesetzt. England muss weiter auf den Titel bei Weltmeisterschaften seit 1966 warten

  • Frank Hellmann, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.
Spaniens Weltmeisterinnen jubeln. Den Pokal reckt die Königin in die Höhe.
Spaniens Weltmeisterinnen jubeln. Den Pokal reckt die Königin in die Höhe.

Es war irgendwie verständlich, dass sich selbst Königin Letizia nicht mehr in royaler Zurückhaltung übte: Nachdem die neuen spanischen Nationalheldinnen aufs Podium geklettert und die goldenen Medaillen überreicht worden waren, strahlte sie gemeinsam mit den glücklichen Fußballerinnen an diesem flimmernden Abend im Australia Stadium von Sydney. Selbst Fifa-Präsident Gianni Infantino konnte sich in diesem Moment einer Weltmeisterschaft mal nicht in den Vordergrund drängeln. Zuvor hatten 75 784 Augenzeugen ein hochklassiges, spannendes Finale mit einem verdienten Sieger gesehen: Spanien sicherte sich mit einem 1:0 gegen England erstmals den WM-Titel. Deutschland ist damit übrigens sein Alleinstellungsmerkmal los, mit beiden Geschlechtern mindestens einen Stern gewonnen zu haben.

Überschäumende Freude auf der einen, grenzenlose Enttäuschung auf der anderen Seite. Torfrau Mary Earps kauerte enttäuscht an der Strafraumlinie. Sie hatte mit einem gehaltenen Handelfmeter gegen Jennifer Hermoso dieses umkämpfte Endspiel noch spannend gemacht, doch das fein herausgespielte Tor von Olga Carmona (29.) sollte das entscheidende bleiben. Mit Tränen in den Augen trat die gerührte Hermoso nach ihrem folgenlosen Fehlschuss vor die Kameras: »Wir haben so viele Tage versucht, uns vorzustellen, wie es ist, Weltmeister zu sein. Wir konnten es nicht. Das ist das Schönste, was ich in meiner Karriere erlebt habe.«

Hingegen versuchte Englands Kapitänin Millie Bright die Fassung zu bewahren: »Das ist das Harte im Fußball, dass man auch verliert. Wir können trotzdem stolz sein.« In der Nacht zu ihrem 30. Geburtstag blieb der am Ende als Mittelstürmerin spielenden Defensivspezialistin das schönste Geschenk verwehrt. Die »57 years of hurt«, die Jahre der Schmerzen, gehen für das Mutterland des Fußballs bei Weltmeisterschaften also vorerst weiter. Es bleibt beim einzigen Triumph der Männer von 1966.

Dass sich letztlich »La Furia Roja« durchsetzte, löste im königlich-spanischen Fußballverband (RFEF) Jubelstürme aus. Präsident Luis Rubiales sieht sich bestätigt, ungeachtet des Protestes von 15 prominenten Nationalspielerinnen an Nationaltrainer Jorge Vilda festgehalten zu haben. Dass die Risse nicht gänzlich beseitigt sind, war unübersehbar: Denn der stolze Weltmeistercoach Vilda (»Wir haben gezeigt, dass wir auch kämpfen können, leidensfähig sind.«) jubelte zunächst nur am Spielfeldrand mit seinem Trainer- und Helferteam, derweil die Spielerinnen am Elfmeterpunkt feierten. Minutenlang hielt diese Distanz an: Es hätte kein besseres Sinnbild für die immer noch nicht ausgestandenen Animositäten geben können.

Erst beim obligatorischen Jubelbild mit dem Pokal stellte sich der 42-Jährige in die hintere Reihe zum Team. Dabei muss Vilda angerechnet werden, welch befruchtenden Burgfrieden er letztlich am anderen Ende der Welt hinbekommen hat. »Es ist schwierig, das zu beschreiben, eine riesige Freude«, sagte der Madrilene über den Erfolg.

Dass sich eine »goldene Generation« krönte, ist der guten fußballerischen Ausbildung auf Vereins- wie Verbandsebene zuzuschreiben. »Wir haben das Talent seit Jahren«, sagte die mit dem »Goldenen Ball« als beste WM-Spielerin ausgezeichnete Aitana Bonmati vom FC Barcelona, die als eine von nur drei »Rebellinnen« ins Nationalteam zurückgekehrt war. Man müsse doch nur mal die U17-, U19- oder U20-Turniere anschauen. Tatsächlich hat Spanien in einer Dekade im Nachwuchsbereich neun WM- und EM-Titel eingesammelt. Und keine illustrierte die Begabung besser als die diesmal der Weltfußballerin Alexia Putellas vorgezogene Salma Paralluelo, die mit 19 Jahren zur besten jungen WM-Spielerin gekürt wurde.

Sicher war der Titel aber bis zum finalen Abpfiff nie. Schnell entwickelte sich das »faszinierende Endspiel«, das Jill Ellis, 2015 und 2019 Weltmeistertrainerin der USA, tags zuvor prophezeit hatte. England erwischte mit dem Lattenschuss der quirligen Lauren Hemp (16.) sogar den besseren Start, doch mit spielerischer Klasse befreite sich die »Seleccion« immer häufiger. Als sich Englands Verteidigerin Lucy Bronze einmal im Zentrum festrannte, nutzte die schon im Halbfinale erfolgreiche spanische Außenverteidigerin Olga Carmona die blitzgescheite Umschaltaktion zum Tor des Tages.

Englands Trainerin Sarina Wiegman stellte zur Pause zwar personell und taktisch um, doch selbst der von Earps abgewehrte Strafstoß brachte keine Initialzündung mehr. Letztlich stand die Niederländerin Wiegman wie vor vier Jahren – damals mit ihrem Heimatland im WM-Finale – erneut auf der Seite der Verliererinnen. Wie es sich gehört, gratulierte die 53-Jährige aufrichtig: »Wir waren nahe dran, aber Spanien hatte das bessere Team.« Einen erneuten Anlauf für die WM 2027 wollte Wiegman nicht versprechen: »Das ist jetzt zu weit weg.« Die Engländerinnen müssen erst mal heimfliegen und trauern, während die Spanierinnen mit ihrer Königin feiern dürfen.

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