Lied der Moorsoldaten: Vom KZ in den Spanischen Bürgerkrieg

Vor 90 Jahren entstand das Lied der Moorsoldaten

  • Ulrich Schneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit in den Sand gesteckten Spaten weckten die singenden Häftlinge bei der ersten Aufführung des Lieds Assoziationen mit einem Soldatenfriedhof.
Mit in den Sand gesteckten Spaten weckten die singenden Häftlinge bei der ersten Aufführung des Lieds Assoziationen mit einem Soldatenfriedhof.

Wer kennt nicht den Refrain: »Wir sind die Moorsoldaten / und ziehen mit dem Spaten / ins Moor«? Doch nur wenige kennen die Entstehungsgeschichte dieses Liedes, das in der internationalen antifaschistischen Bewegung populär ist.
Im Sommer 1933 waren es politische Häftlinge des KZ Börgermoor, die für eine eigene Veranstaltung namens »Zirkus Konzentrazani« ein politisches Kulturprogramm entwickelten, das unter den Augen der SS aufgeführt werden sollte. Den Text für das Lied schrieben der Bergmann Johann Esser und der Regisseur Wolfgang Langhoff, die Musik stammte von Rudi Goguel.

Tatsächlich konnte das Lied am Sonntag, den 27. August 1933, als die Häftlinge nicht zur Arbeit eingesetzt waren, bei der geplanten Veranstaltung aufgeführt werden. Rudi Goguel erinnerte sich später: »Die sechzehn Sänger, vorwiegend Mitglieder des Solinger Arbeitergesangsvereins, marschierten in ihren grünen Polizeiuniformen (unsere damalige Häftlingskleidung) mit geschulterten Spaten in die Arena, ich selbst an der Spitze in blauem Trainingsanzug mit einem abgebrochenen Spatenstiel als Taktstock. Wir sangen, und bereits bei der zweiten Strophe begannen die fast 1000 Gefangenen den Refrain mitzusummen. […] Von Strophe zu Strophe steigerte sich der Refrain, und bei der letzten Strophe sangen auch die SS-Leute, die mit ihren Kommandanten erschienen waren, einträchtig mit uns mit, offenbar, weil sie sich selbst als ›Moorsoldaten‹ angesprochen fühlten. […] Bei den Worten ›Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit den Spaten ins Moor‹ stießen die sechzehn Sänger die Spaten in den Sand und marschierten aus der Arena, die Spaten zurücklassend, die nun, in der Moorerde steckend, als Grabkreuze wirkten.«

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Zwar wurde das Lied zwei Tage nach der ersten Aufführung von der Lagerleitung verboten. Das Verbot wurde jedoch bald aufgehoben, da selbst das Wachpersonal des Lagers wiederholt verlangte, dass das Lied von den Häftlingen auf ihren Märschen zum Arbeitsplatz gesungen werden sollte. Auch in späteren Konzentrationslagern mussten Häftlinge Lagerlieder komponieren.

Durch entlassene oder in andere Lager verlegte Gefangene wurde das Lied über das KZ Börgermoor hinaus bekannt. Im September 1933 konnten etwa 20 Frauen ihre im Lager inhaftierten Ehemänner besuchen. Bei dieser Gelegenheit übergab der Düsseldorfer Maler Hanns Kralik den Text des Moorsoldatenliedes in einer Bastschale versteckt an seine Frau Lya Kralik. So wurde das Lied erstmals außerhalb des Lagers bekannt. 1935 lernte es der Komponist Hanns Eisler in London kennen. Eisler überarbeitete die Melodie für den Sänger Ernst Busch. Dieser schloss sich während des Spanischen Bürgerkrieges den Internationalen Brigaden an, die die Spanische Republik gegen den Putschisten Franco verteidigten. Und so kam das Lied nach Spanien, wurde dort von Radio Madrid ausgestrahlt und vom Bataillon Thälmann der XI. Brigade übernommen. Es wurde zu einem der bekanntesten Lieder des kämpfenden republikanischen Spaniens, obwohl es meist auf Deutsch gesungen wurde. In Frankreich wurde es ab 1936 bekannt, gesungen vom Chorale populaire de Paris, als Chant des Marais mit frei adaptiertem Text. Ehemalige Börgermoor-Häftlinge, die in die Tschechoslowakei geflohen waren, ließen den Text drucken und Radio Prag strahlte das Lied vor 1938 aus.

Das Lied der Moorsoldaten war in Europa bekannt, bevor die Wehrmacht in die europäischen Länder einmarschierte und diejenigen deportierte, die sie als Oppositionelle betrachtete.Von der SS Deportierte kannten es und sangen es als Kampfhymne. Die überlebenden Häftlinge, die in ihre Heimatländer zurückkehrten, sangen es nach dem Krieg als Lied der Erinnerung.

Heute existieren weltweit mindestens 500 Versionen des Liedes in mehreren Sprachen. Zu den bekanntesten Interpreten gehören Ernst Busch, Paul Robeson, Pete Seeger, Perry Friedman, The Dubliners und Hannes Wader. Das Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager in Papenburg gab 2002 eine Doppel-CD mit mehr als 30 verschiedene Versionen des Liedes heraus.

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