Unis in Berlin: Studieren in einstürzenden Neubauten

Senat will Masterplan für Neubau und Sanierungen an Hochschulen

Plötzlich standen Hörsäle und Labore unter Wasser: Gleich drei Gebäude der Technischen Universität erlitten über den Sommer schwere Wasserschäden. In einem Fall wurde ein Seminarraum durch eine einstürzende Decke komplett zerstört. Die Gebäude mussten geschlossen werden, Lehrveranstaltungen wurden verlegt. Unter den Studierenden werde schon gewitzelt, welches Gebäude wohl als nächstes einstürzen werde, scherzte ein Studierendenvertreter gegenüber dem »RBB«.

Die Schadensserie steht symptomatisch für den Sanierungsstau an Berliner Hochschulen: Auf 2,4 Milliarden Euro setzt die TU ihren Sanierungsbedarf an, für alle Berliner Hochschulen geht es wohl um einen zweistelligen Milliardenbetrag, der für Modernisierungen und Neubauten notwendig ist. Die Charité ist dabei noch nicht mit eingerechnet. Manche der mehr als hundert Jahre alten Unigebäude wurden seit den Neunzigern nicht mehr saniert. Die zuletzt stark gestiegenen Baukosten verschärfen die Notlage weiter. Eine »Generationenaufgabe« nannte Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD) die Bauvorhaben an den Hochschulen am Montag im Wissenschaftsausschuss. »Das wird uns noch über Jahrzehnte beschäftigen.«

Um der Herausforderung beizukommen, soll es nun einen Masterplan geben, um die Vorhaben besser zu koordinieren, kündigte Marx an. »Jetzt ist die Zeit, über Investitionen zu sprechen«, sagte er. Die SPD-Abgeordnete Maja Lasić verglich das Vorhaben mit der Schulbauoffensive, mit der durch die konzertierte Zusammenarbeit verschiedener Akteure insgesamt 60 neue Schulen entstehen sollen.

An den Hochschulen würden aktuell schon Sanierungspläne erstellt, berichtete Staatssekretär Marx. Diese sollen anschließend von der Senatsverwaltung priorisiert werden. Bis Ende des Jahres soll es dann einen konkreten Plan geben. »Wir werden nicht nur auf prestigeträchtige Neubauten setzen, sondern auch im Bestand sanieren«, kündigte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) an. Sie hofft, dass die Sanierungsmaßnahmen zum Teil vom Sondervermögen Klimaschutz getragen werden könnten, mit dem der Senat bis zu zehn Milliarden Euro in Klimamaßnahmen stecken will. »Bei Wissenschaftsgebäuden sehen wir großes Potenzial, CO2 einzusparen«, sagte Czyborra.

Zudem sollen die Hochschulen einfacher selbst als Bauherr tätig werden. Bisher werden alle Bauvorhaben, deren Kosten fünf Millionen Euro übersteigen, zentral vom Land geplant. Die Wissenschaftsverwaltung will diesen Grenzbetrag nun auf 20 Millionen Euro anheben. Die Hochschulen fordern dies schon länger. Sie hoffen, so ihre Rücklagen effizienter einsetzen zu können.

Tobias Schulze (Linke) begrüßte den Schritt: »Die Hochschulen bauen schneller und effizienter als das Land, insofern macht das Sinn«, sagte er. Staatssekretär Marx schränkte allerdings ein, dass kleinere Hochschulen ohne derartige Rücklagen kaum von der Anhebung profitieren dürften.

Neben Investitionen können sich die Unis auch über höhere Mittel für den laufenden Betrieb freuen: Mit den neuen Hochschulverträgen wächst ihr Zuschuss um jährlich fünf Prozent. Marx dämpfte allerdings allzu hohe Erwartungen: »Das kommende Jahr wird hart werden«, sagte er. Der Aufwuchs werde die Inflation kaum ausgleichen. »Ab der zweiten Hälfte der Vertragslaufzeit rechnen wir aber damit, dass sich deutlich größere Spielräume ergeben werden.« Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die Hochschulen mögliche Tarifaufwüchse selbst tragen müssten. Für den Herbst stehen Verhandlungen für den Tarifvertrag der Länder an, unter den auch Hochschulbeschäftigte fallen. Verdi wird wohl zweistellige Lohnaufwüchse fordern.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal