Zentral- und Landesbibliothek: Steine auf dem Weg nach Mitte

Umzug der Landesbibliothek in das Lafayette-Kaufhaus wird unwahrscheinlicher

Kommt sie oder kommt sie nicht? Gerade einmal zwei Wochen nach der vollmundigen Ankündigung von Kultursenator Joe Chialo (CDU), dass die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) einen neuen Standort an der Friedrichstraße bekommen soll, verdunkeln sich die Aussichten für das Prestigeprojekt. Zuletzt gab es Unsicherheit, ob das Luxuskaufhaus Galeries Lafayette, in dessen Räume die ZLB einziehen soll, überhaupt ausziehen will. Dazu kommen nun skeptische Töne vom Koalitionspartner SPD.

Die größte Hürde bleibt die »Quartier 207« genannte Immobilie, die die ZLB künftig beheimaten soll. Vor dem Kulturausschuss hatte Chialo erklärt, dass Galeries Lafayette das Mietverhältnis dort zum Ende des Jahres 2024 aufgeben wolle, sodass der Umbau kurz darauf beginnen könnte. ZLB-Chef Volker Heller sprach kurz darauf von einer »Jahrhundertchance für Berlin«. Selbst aus der Opposition gab es Sympathien für das Projekt.

Die Sache hat nur einen Haken: Gegenüber der »BZ« bestritt die Geschäftsführung von Galeries Lafayette, überhaupt ausziehen zu wollen. Demnach verhandelten das Kaufhaus und der amerikanische Investor Tishman Speyer, dem die Immobilie gehört, noch über eine Weiterführung des Mietvertrags. Am Donnerstag wollte der »Tagesspiegel« dann die nächste Volte erkannt haben: Laut der Tageszeitung soll Galeries Lafayette dem Auszug nun doch zugestimmt haben. Die Entscheidung soll demnach am 25. September bekannt gemacht werden.

Quelle dafür ist offenbar der Besitzer Tishman Speyer, der ein eigenes Interesse verfolgt. Mit dem Liebäugeln mit dem neuen ZLB-Standort könnte Tishman Speyer die eigene Verhandlungsposition mit Galeries Lafayette stärken, vermutet die »BZ«. Dazu passend ist inzwischen das Verkaufsangebot von Tishman Speyer an den Senat bekannt geworden: Satte 600 Millionen Euro soll der Senat laut Informationen der »Berliner Morgenpost« für das Gebäude hinblättern, mithin das Doppelte dessen, was Tishman Speyer 2022 für den Kauf zahlte. Zusammen mit den Umbaukosten dürften die Gesamtkosten so am Ende an der Milliardengrenze kratzen. Alternativ könnte das Land die Fläche für 70 Euro pro Quadratmeter im Monat mieten.

Zu der Unsicherheit über die Verfügbarkeit des Standorts kommen nun noch Querschüssse vom Koalitionspartner. Gegenüber der »Berliner Morgenpost« erklärte Melanie Kühnemann-Grunow, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, der Kaufpreis sei »schwindelerregend«. Das Vorhaben bezeichnete sie als »unausgereifte Idee eines einzelnen Senators«. Statt neue Immobilien anzukaufen, sei es sinnvoller, die ZLB in landeseigenen Liegenschaften unterzubringen – etwa im Internationalen Congress Centrum (ICC) in Westend.

Die ZLB selbst wünscht sich trotzdem, dass der Senat an dem Vorhaben festhält. »Wir können unsere Bedarfe an diesem Standort abbilden«, sagt Pressesprecherin Anna Jacobi. »Ein Neubau wäre wahrscheinlich nicht vor 2035 fertig, ein Umbau an der Friedrichstraße würde dagegen schneller gehen.« Für den Standort sprächen auch die zentrale Lage und die baulichen Gegebenheiten in der Liegenschaft. So biete das Haus zwar großzügige Flächen, wirke aber dennoch kompakt. Die ZLB passe ideal in das Gebäude, nur ein Außenmagazin sei weiterhin notwendig, schränkt Jacobi ein.

»Wir gehen davon aus, dass die Informationen stimmen, die wir vom Investor bekommen«, sagt Jacobi zu der unsicheren Situation am Objekt. Sie sei zuversichtlich, dass das Gebäude Ende 2024 tatsächlich frei werde. Die Kosten würden bei einem Neubau »in keinem Fall« geringer ausfallen, schätzt sie. Das ICC hält sie für ungeeignet. »Das ist ein Kongresszentrum und keine Bibliothek«, so Jacobi. In den Hallen gebe es keine Durchflutung mit Tageslicht, zudem sei das Kongresszentrum am westlichen Rand der Innenstadt nicht so gut erreichbar wie die Friedrichstraße.

Unklarheit herrscht derweil auch am anderen Ende: Solange der Deal zum Quartier 207 in der Schwebe steht, gibt es keine Gewissheit für die zwei derzeitigen Standorte der ZLB: die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz in Kreuzberg und die Berliner Stadtbibliothek in Mitte. Im Gespräch mit »nd« zeigen sich Stadtteilaktivisten, die am Mehringplatz gegenüber der Amerika-Gedenkbibliothek aktiv sind, besorgt über eine mögliche Schließung der beliebten Bücherei. »Das ist die Bibliothek in Berlin, die am besten angenommen wird«, sagt ein Vertreter des Revolutionären Anwohnerrats am Mehringplatz. »Wenn die zumacht, entsteht hier eine Riesenlücke.« Vor allem die Kinderabteilung sei ein wichtiger sozialer Treffpunkt im Kiez, der gut genutzt werde.

Kultursenator Chialo hatte im Kulturausschuss davon gesprochen, die Gedenkbibliothek zu einem »Kulturort« umzugestalten. Auch Jacobi wünscht sich das. »Ich kann mir den Ort nicht ohne eine Bibliothek vorstellen – aber eben auch nicht ausschließlich«, sagt sie. Sie wünsche sich, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Gebäude in Teilen als Bezirksbibliothek nutzt. »Ich habe keine Sorge, da wird sich eine kulturelle Nutzung finden.«

Dauerhaft sei das Gebäude als Zentral- und Landesbibliothek überfordert. »Das Haus ist auf 500 Besucher täglich ausgerichtet, aber real kommen jeden Tag 3500 Menschen«, sagt Jacobi. Vor der Diskussion über den Standort an der Friedrichstraße war der Blücherplatz für den Neubau vorgesehen. Jacobi warnt, dass es auch in dem Fall, dass der Lafayette-Plan scheitere, Einschränkungen gäbe: »Dann bräuchten wir einen Ausweichstandort für die Bauzeit.« Sollte die ZLB an die Friedrichstraße ziehen, könnten die Amerika-Gedenkbibliothek ud die Berliner Stadtbibliothek zumindest bis zu diesem Zeitpunkt regulär betrieben werden.

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