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Thüringen: Brandmauerabriss mit Ansage

Im Thüringer Landtag setzt die CDU mit Hilfe der AfD gegen Rot-Grün-Rot eine Senkung der Grunderwerbsteuer durch

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Alle Appelle, alle verfassungsrechtlichen Bedenken haben die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag nicht beeindruckt: Am Donnerstagabend brachten deren Abgeordnete eine Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf fünf Prozent zum 1. Januar durchs Parlament. Und sorgten damit bundesweit für einen Aufschrei. Denn die CDU nahm offenbar bewusst neben der Unterstützung durch die vier FDP-Abgeordneten auch die der extrem rechten AfD unter Fraktionschef Björn Höcke an. CDU, AfD und FDP votierten also gemeinsam gegen Linke, Grüne und SPD, die die Landesregierung bilden, aber seit der Landtagswahl 2019 keine eigene Mehrheit im Parlament mehr haben.

Ob die Steuersenkung so kommt, ist indes noch nicht klar. Finanzministerin Heike Taubert (SPD) kündigte indirekt eine Klage gegen den CDU-Gesetzesentwurf an. Ihr Haus habe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine darin enthaltene Detailregelung, sagte sie. Zudem gaben der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, André Blechschmidt, und seine SPD-Kollegin Dorothea Marx zu Protokoll, sie sähen sich durch die Art der abschließenden Beratungen in ihren Rechten als Abgeordnete verletzt. Die Erklärungen bieten eine gute Ausgangsbasis für Klagen gegen das Gesetz.

CDU-Fraktionschef Mario Voigt wusste vor der Abstimmung genau, was geschehen würde. In der stundenlangen Debatte zuvor war er zudem mehrfach davor gewarnt worden. Zudem wurde die Debatte unterbrochen, um auszuloten, ob es nicht doch noch einen Kompromiss zwischen CDU und Rot-Rot-Grün geben könnte. SPD-Fraktionschef Matthias Hey sagte Voigt auf den Kopf zu: »Sie stimmen lieber mit Björn Höcke als mit Matthias Hey zu reden.« Das werde er sich merken.

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Voigt strebt nach einem Bekunden nach der Landtagswahl im kommenden Jahr eine Koalition aus CDU, SPD und FDP an. Dennoch stellte er sich taub gegenüber den Bedenken aus der SPD. Voigts Begründung für sein Vorgehen: Sowohl Familien als auch die Wirtschaft würden die Steuersenkung brauchen. Die Union könne »richtige Politik für das Land« nicht davon abhängig machen, ob »die Falschen« zustimmten, so sein Standardargument auch im Interview mit der ARD. Ohnehin habe sich Rot-Rot-Grün nicht als verlässlicher Partner der CDU erwiesen. So warte seine Fraktion noch immer auf die vor einiger Zeit verabredete Einführung eines Kinderbaulandbonus, monierte er.

Die Regierungsparteien kritisieren, die Steuersenkung entlaste längst nicht nur Familien, sondern eben auch Spekulanten. Zudem sei fraglich, ob Familien, die sich ein Haus für 300 000 bis 500 000 Euro leisten könnten, wirklich diejenigen seien, die dringend entlastet werden müssten, gaben sie zu bedenken. Durch die Steuersenkung würden dem Freistaat zudem Einnahmen in Höhe von 48 Millionen Euro jährlich fehlen.

Auf Bundesebene ist der Aufschrei über das erneute Ignorieren der Brandmauer gegen die AfD groß. Zumal CDU-Chef Friedrich Merz erst kürzlich versichert hatte, sie stehe fest. Allerdings hielt sich die Empörung über die Thüringer Parteifreunde in den Unionsparteien in Grenzen. Von höchster Ebene und mehreren Landesvorsitzenden bekommt Voigt vielmehr Rückendeckung. So meinte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, wie andere Fraktionen sich zu eigenen Vorhaben verhielten, dürfe »für uns nicht Maßstab sein«. Der CDU gehe es »um die richtigen Weichenstellungen für unser Land und nicht um taktisches Geplänkel«, sagte Linnemann der »Rheinischen Post«. Deswegen sei das Vorgehen der Thüringer CDU richtig gewesen.

Die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel konstatierte im Onlinedienst X folgerichtig zufrieden, die viel beschworene Brandmauer sei »Geschichte – und Thüringen erst der Anfang«. Empört zeigten sich zahlreiche Politiker von SPD, Grünen und Linken, die der CDU einen »Tabubruch« vorwarfen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warf der CDU einen »irrlichternden Umgang« mit der AfD vor. Sie reiße »die Brandmauer nach rechts außen immer weiter ein«.

Thüringens Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow warf der CDU einen »Pakt mit dem Teufel« vor. Allerdings ist der Erfurter Regierungschef in Sachen Umgang mit der AfD nicht ganz unangreifbar. Im März 2020 hatte er nach eigener Aussage den AfD-Abgeordneten Michael Kaufmann mit zum Landtagsvizepräsidenten gewählt. »Ich habe mich sehr grundsätzlich entschieden, auch mit meiner Stimme den Weg frei zu machen für die parlamentarische Teilhabe, die jeder Fraktion zugebilligt werden muss«, sagte Ramelow anschließend. Er verwies darauf, dass die rechte Partei anschließend ihre Blockade der Wahlausschüsse von Richtern und Staatsanwälten aufgegeben habe. Für dieses Votum war Ramelow aus der eigenen Partei scharf kritisiert worden.

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