Elektrogeräte und ihre soziale Sollbruchstelle

Elektronische Geräte verschleißen heutzutage schneller. Das ist nicht bloß eine Frage der Technik

  • Julia Belzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon wieder ist der Akku alle, das Display kaputt oder das gesamte E-Gerät komplett im Eimer. Wir alle kennen es, und zumindest in der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung halten technische Geräte einfach nicht mehr so lange wie früher. Doch produzieren Hersteller bewusst Schwachstellen in elektronischen Geräten, um deren Haltbarkeit zu vermindern und somit Nutzer*innen zum Neukauf zu animieren? Gibt es die sogenannte Sollbruchstelle, die dem Lebenszyklus von Kühlschrank, Staubsauger und Co ein jähes Ende bereitet? In der Fachsprache nennt man das Phänomen »geplante Obsoleszenz«, einen bewusst herbeigeführten oder in Kauf genommenen Fehler im Design eines Gegenstands, der zu einer kürzeren Lebensdauer führt. Dazu forscht Melanie Jaeger-Erben, Professorin für Technik- und Umweltsoziologie an der BTU Cottbus-Senftenberg.

Dass ins Design »Sollbruchstellen« eingebaut werden können, ist laut Jaeger-Erben extrem selten. Fehler lassen sich kaum planen. Aber natürlich würde die Lebensdauer von Produkten bei der Entwicklung von den Herstellern geplant werden. Es wird überlegt, wie lange das Gerät halten muss und Menschen dies nutzen werden. Noch bevor das Produkt im Angebot ist, wird kalkuliert, wie lange es auf dem Markt gehalten wird und Ersatzteile angeboten werden müssen. Aber eine arglistige Manipulation, Fehler ins Design einzubauen, um Geräte zu einem gewissen Zeitpunkt kaputtgehen zu lassen, konnten auch Studien bislang nicht nachweisen.

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Dennoch kann Jaeger-Erben bestätigen, dass elektronische Geräte heutzutage eine kürzere Lebensdauer haben. Grund dafür sind drei Faktoren: Zum einen gibt es da die materielle Obsoleszenz. Das heißt, dass Geräte billig produziert werden. So werden an bestimmten Stellen Materialien eingebaut, die sehr schnell verschleißen: zum Beispiel kostengünstigeres Plastik anstatt Metall. Das würden Hersteller in Kauf nehmen, denn sie wissen, dass Kund*innen beispielsweise den Mixer, Akkubohrer oder Toaster selten benutzen und so die Geräte sich seltener abnutzen.

Die symbolische Obsoleszenz beschreibt die soziale Komponente, so Jaeger-Erben. Ein simples Beispiel: Von einem Gerät, das man oft benutzt, kommt eine neue Version auf den Markt, etwa ein neues Iphone. Das führt dazu, dass Menschen ihr eigenes Smartphone abwerten, besonders wenn es schon Verschleißerscheinungen vorweist, das Display zerkratzt ist, etc. »Neuheit ist einfach viel wert«, erklärt sie. Und: Ein an Innovation ausgerichteter Markt bietet immer Anreize, etwas Neues zu haben.

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Die ökonomische Obsoleszenz als dritte Komponente liegt vor, wenn die Erhaltung eines Produktes teurer ist als die Anschaffung eines neuen. Kosten Wartung, Erhalt oder Reparatur zu viel, werden Geräte schneller weggeworfen oder ersetzt. Alle drei Formen der Obsoleszenz seien schwer voneinander zu trennen und kämen meist zusammen vor, erklärt die Professorin. Doch den größten Einfluss auf die verkürzten Lebenszyklen hat, laut Jaeger-Erbens Forschung, die Tatsache, dass Markt und Gesellschaft auf Konsum und Produktivität ausgerichtet sind. Unternehmen verdienen am meisten mit neuen Geräten, der Gebrauchswert zählt nicht mehr. Eine Erkenntnis, die wenig überraschend ist: Der Kern des Problems liegt im Kapitalismus.

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