Tarif­verhand­lungen: Gewerkschaften für zweistelliges Lohnplus

In der Tarifrunde der Länder treten die Gewerkschaften mit robusten Forderungen auf

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 4 Min.

10,5 Prozent mehr Lohn, aber mindestens 500 Euro soll es für die rund 2,5 Millionen Tarifbeschäftigten und Beamt*innen der Länder geben. Diese Forderungen für die kommende Tarifrunde hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gemeinsam mit dem DBB Beamtenbund und Tarifunion am Mittwoch in Berlin vorgestellt.

Für die Beschäftigten geht es um viel. Denn seit die Inflation in die Höhe geschossen ist, gab es für die Landesbeschäftigten kaum Lohnerhöhungen. Zwar wurde im vergangenen Jahr eine sogenannte Inflationsausgleichsprämie vereinbart. Doch die wurde nur einmalig ausgezahlt und auch nicht in allen Betrieben. Eine dauerhafte Lohnerhöhung, die die Teuerungsrate ausgleicht, gab es das letzte Mal im Dezember vergangenen Jahres. Und mit nur 2,8 Prozent lag die deutlich unter der Inflationsrate.

Die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) findet die Forderungen der Gewerkschaften dennoch zu hoch. Die TdL ist ein Zusammenschluss der Länderbetriebe in 15 Bundesländern – ohne Hessen, wo es einen eigenen Tarifabschluss gibt. »Wir stehen vor einer äußerst schwierigen Tarifrunde«, teilte der Verhandlungsführer der TdL, Andreas Dressel, auf nd-Anfrage mit. Der Sozialdemokrat ist seit 2018 Finanzsenator in Hamburg. »Lohnerhöhungen müssen dauerhaft finanzierbar sein, und das sind die heute geforderten Steigerungen nicht«, erklärte er. In den Ländern fehle schlicht das Geld.

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Diese Haltung wird kaum auf Gegenliebe bei den Beschäftigten stoßen, die in wochenlangen Befragungen in den Betrieben und Bezirken unter den Mitgliedern die Gewerkschaftsforderungen erarbeitet haben. Laut Gewerkschaft haben sich daran über 65 000 der insgesamt rund 1,2 Millionen Tarifbeschäftigten beteiligt, darunter Hochschulbeschäftigte, Pfleger*innen und Personal an den Universitätskliniken.

Insbesondere das Personal an den Unikliniken gilt in der kommenden Tarifauseinandersetzung als Zugpferd. »Wir haben allein bei uns im Betrieb 1000 Beschäftigte befragt und uns auf gemeinsame Forderungen geeinigt«, erzählt Clara Aimée im Gespräch mit »nd«. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet seit anderthalb Jahren an der Universitätsklinik in Leipzig und hat die Befragung in ihrem Betrieb aktiv begleitet. Es habe keine Inflationsausgleichsprämie gegeben, und die letzte Lohnerhöhung sei viel zu niedrig gewesen, kritisiert sie. Das soll in der jetzigen Tarifrunde anders laufen.

Auch an den Hochschulen soll sich nach dem Willen der Gewerkschaften etwas tun. Dort haben sich studentische Hilfskräfte, der akademische Mittelbau und die technischen und Verwaltungsangestellten an den Verdi-Umfragen beteiligt. Allerdings sind die Hochschulen für die Gewerkschaften ein schwieriges Pflaster: Nur wenige Beschäftigte sind gewerkschaftlich organisiert und die Streikbereitschaft ist vergleichsweise gering, wie es aus Gewerkschaftskreisen heißt.

Nichtwissenschaftliches Personal wie Angestellte der Studierendenwerke sind meist in niedrigen Entgeltgruppen eingestuft und würden von dem Sockelbetrag von 500 Euro deutlich profitieren. Für studentisch Beschäftigte gibt es mit Ausnahme von Berlin bislang überhaupt keine tarifvertragliche Regelung. Das wollen die Gewerkschaften mit der nun bevorstehenden Tarifrunde ändern, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Mittwoch auf der Pressekonferenz. Zudem soll es ein Mindesteinstiegsgehalt von 16 Euro geben. »Der Druck ist so hoch, dass diese Forderung für uns elementar ist.«

Die Lohnerhöhungen für die Tarifbeschäftigten sollen auch für Beamt*innen gelten, teilte Frank Zitka auf der Pressekonferenz für den Beamtenbund mit. Zudem fordern die Gewerkschaften für die Stadtstaaten eine Sonderzulage, weil es dort ein Mischverhältnis zwischen kommunalen und Landesaufgaben gebe, so Werneke. In Berlin, Hamburg und Bremen soll es für Beschäftigte und Beamt*innen eine Stadtstaatenzulage in Höhe von 300 Euro und 150 Euro für Auszubildende geben.

Zwar sind die Forderungen, mit denen die Gewerkschaften in die Tarifverhandlungen gehen, robust. Doch ob sie damit Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Denn der Organisierungsgrad bei den Landesbeschäftigten ist schlechter als bei Bund und Kommunen. Dort hatten sich die Tarifparteien nach einer Schlichtung auf 11 Prozent mehr Lohn ab März 2024 für die meisten Beschäftigten geeinigt. Zudem haben sich Bund und Kommunen verpflichtet, eine Inflationsprämie in Höhe von 3000 Euro zu zahlen. In den Ländern sind daher schlechtere Ergebnisse zu erwarten.

Die Forderungen dürften die Inflation nicht ausgleichen. Denn während die Teuerungsrate im September im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 4,3 Prozent lag, waren das im Vorjahr rund 10 Prozent. Da laut Verdi die Löhne bereits mit den aktuellen Forderungen im Schnitt um nur rund 12,5 Prozent steigen, dürfte das bei vielen Beschäftigten für einen Reallohnverlust sorgen. »Es ging uns darum, dass wir den Reallohnverlust durch die Inflation ausgleichen«, sagt Krankenpflegerin Aimée. Sie hätte sich höhere Forderungen gewünscht. »Ich freue mich auf die Verhandlungen, bin aber enttäuscht von den niedrigen Ausgangsforderungen«, sagt sie. Die Tarifverhandlungen starten am 26. Oktober.

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