100-Milliarden-Euro-Projekt FCAS: Kampfjet in Turbulenzen

Deutschland könnte aus 100-Milliarden-Euro-Projekt FCAS aus- und in britisches Konkurrenzprojekt einsteigen

Laut einem Bericht der britischen »Times« vom Mittwoch erwägt der Bundeskanzler Olaf Scholz, sich aus der Entwicklung des teuersten Kampfflugzeugs aller Zeiten herauszuziehen. Die Zeitung beruft sich auf »Quellen, die mit Scholz’ Überlegungen vertraut sind«. Diese sagten, der SPD-Politiker sei besorgt, dass das jetzt schon mit 100 Milliarden Euro veranschlagte »Future Combat Air System« (FCAS) sich übermäßig verteuern könnte.

Das FCAS entwickeln Rüstungskonzerne aus Deutschland, Frankreich und Spanien gemeinsam, es soll ab 2040 den »Eurofighter« ablösen. Als Kampfflugzeug der »sechsten Generation« soll es auch über autonome Fähigkeiten verfügen und besteht aus drei Säulen: Das eigentliche Flugzeug, mitfliegende Schwärme von Kampfdrohnen sowie eine intelligente »Gefechtswolke«, in der auch Kräfte am Boden und auf See in Luftangriffe eingebunden werden können.

Dass nun die britische Presse über den möglichen Abbruch des FCAS-Vorhabens berichtet, ist mit Vorsicht zu genießen. Denn Großbritannien entwickelt im Projekt »Tempest« einen eigenen Kampfjet der »sechsten Generation« und arbeitet dazu mit Herstellern aus Japan und Italien zusammen. Federführend sind die Unternehmen BAE Systems und Rolls Royce, die Fertigstellung ist für 2035 avisiert – und damit fünf Jahre früher als das FCAS. Laut der »Times« überlege Scholz deshalb auch, die Entwicklung der beiden Systeme zusammenzulegen. Neben europäischen Nationen will auch die USA einen Kampfjet der »sechsten Generation« entwickeln, der soll bis 2030 einsatzbereit sein.

Tatsächlich gab es zwischen Berlin und Paris immer wieder Differenzen über die Umsetzung des FCAS. Darunter etwa um die Frage, welche deutschen oder französischen Rüstungskonzerne Aufträge für das Projekt erhalten.

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Deutschland hat laut der »Times« 40 Milliarden Euro für das Projekt vorgesehen. Zuletzt hat die Bundeswehr vergangene Woche einen Forschungsvertrag über 240 Millionen Euro für die »Gefechtswolke« an sieben Firmen vergeben. Untersucht wird darin auch die Einbindung »luftgestützter Laser«. Zu der Gemeinschaft gehören als Hauptvertragspartner Airbus, der Raketenhersteller MBDA sowie ein Zusammenschluss der Unternehmen Hensoldt, Diehl, ESG und Rohde & Schwarz. Insgesamt sollen 35 große und mittelständische Betriebe von dem Vertrag profitieren.

Neben dem Streit um das FCAS sind die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland wegen der »Sky Shield«-Initiative getrübt. Auf Initiative der Bundesregierung sollen darin die Beschaffungen von Luft- und Raketenabwehrsystemen durch Nato-Staaten gebündelt werden, dabei sollen Produkte aus den USA und Israel den Vorzug erhalten. Scholz habe »das Gefühl, dass er in diesen Fragen mehr mit den Briten als mit den Franzosen gemeinsam hat«, zitiert die »Times« einen Beamten.

Jedoch liegt Scholz auch mit der Regierung in London über Kreuz. Die Bundesregierung weigert sich, einer britischen Lieferung von 48 weiteren »Eurofightern« im Wert von mehr als 5,7 Milliarden Euro an Saudi-Arabien zuzustimmen. Die Kampfjets der »fünften Generation« werden von Großbritannien, Deutschland, Spanien und Italien gemeinsam hergestellt, deshalb kann jede beteiligte Nation ihre Ausfuhr blockieren. Das deutsche Veto wird mit Menschenrechtsverletzungen durch Saudi-Arabien begründet, darunter die Tötung Tausender Zivilisten im jemenitischen Bürgerkrieg. Jedoch sei der Bundeskanzler auch verärgert darüber, dass ihn der Premierminister Rishi Sunak noch nicht in Berlin besucht habe, schreibt die »Times«.

Nun nimmt der Druck auf Deutschland und das Vereinigte Königreich in der »Eurofighter«-Frage zu: Saudi-Arabien hat Frankreich gebeten, ein konkurrierendes Angebot für die Lieferung seiner von Dassault und Rafale produzierten Kampfflugzeuge zu unterbreiten.

»Aus Kreisen der Drei-Parteien-Koalition von Scholz« habe die »Times« jedoch erfahren, man sei »zunehmend zuversichtlich«, dass der Verkauf der europäischen Kampfjets an Saudi-Arabien bald erfolgen könne. Als Befürworter der Lieferung gilt der grüne Vizekanzler Robert Habeck, der als Wirtschaftsminister auch für Rüstungsexportkontrollen zuständig ist. Allerdings hat sich Habeck im Nahost-Konflikt am Mittwoch mit einer vielbeachteten Ansprache auf X (besser bekannt als Twitter) ausdrücklich auf die Seite von Israel gestellt. In Berlin, Paris und London ist nun in der Kampfjet-Frage von Bedeutung, wie sich Saudi-Arabien zur Hamas positioniert.

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