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Linksfraktion vor Auflösung: Entscheidung über Abtrünnige

Rechtzeitig vor dem Augsburger Europaparteitag soll über den Antrag entschieden werden, ob Wagenknecht und Co Teil der Linksfraktion bleiben

Erst einmal geht es formal weiter bergab mit der Partei Die Linke, die nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht und ihren Anhängern auf einen Neuanfang hofft. Denn sie muss ihre eigene Bundestagsfraktion abwickeln, die durch den Exodus den entsprechenden Status verliert. Über das Prozedere der Auslösung in den nächsten Wochen, über Sozialplänen für Angestellte – und den Antrag von Wagenknecht und neun weiteren aus der Partei ausgetretenen Abgeordneten, bis zum Jahresende noch in der Fraktion zu verbleiben, beriet die Fraktion in ihrer Sitzung vergangene Woche.

Zum Antrag hatten die Ko-Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, und die Vizevorsitzende der Fraktion, Susanne Ferschl, am 6.11. bekräftigt, sie würden in jedem Fall dagegen stimmen. Wissler betonte, es bestehe »vollkommene Einigkeit darüber, dass man mit einer Partei, die konkurrierend zur Linken ist, nicht in einer Fraktion bleiben kann«. Wagenknecht und Vertraute hatten am 23. Oktober die offizielle Gründung des Vereins »Bündnis Sahra Wagenknecht« verkündet, das die Gründung einer neuen Partei »für Vernunft und Gerechtigkeit« vorantreiben und dafür Spenden sammeln soll.

Aus Partei- und Fraktionskreisen kam bislang die Aussage, dass über den Antrag der Abtrünnigen erst in der Fraktionssitzung am 14. November entschieden werden soll und damit rechtzeitig vor dem Augsburger Europaparteitag, der am 17. November beginnt. Um in Ruhe über das Prozedere der Fraktionsabwicklung beraten zu können, hatte deren Vorsitzender Dietmar Bartsch den »dringenden Appell« an die Ausgetretenen gerichtet, der Fraktionssitzung an diesem und dem folgenden Dienstag fernzubleiben. Verpflichten kann er sie dazu nicht, und tatsächlich nahmen der frühere Linke-Ko-Vorsitzende Klaus Ernst, Andrej Hunko, Christian Leye und Jessica Tatti an der Sitzung teil. Sie warben für ihren Antrag. Dieser solle der geordneten Abwicklung der Fraktion dienen, auch mit Rücksicht auf die Mitarbeiter, sagte Christian Leye und fügte hinzu: »Wir haben von Anfang an gesagt: Wir trennen uns, aber wir trennen uns wie Erwachsene – kein Rosenkrieg.«

Die Linke hätte, wenn sie gegen den Antrag von Wagenknecht und Co. stimmt, nur noch 28 Bundestagsabgeordnete. Die aktuelle Zahl von 38 markiert bereits fast die Untergrenze von 37, bis zu der die Aufrechterhaltung des Fraktionsstatus noch möglich war.

Wie viele der mehr als 100 Fraktionsmitarbeiter in der künftigen Bundestagsgruppe Die Linke verbleiben können, ist derzeit noch unklar. Nach Einschätzungen aus Mitarbeitendenkreisen könnten es zwischen einem Drittel und der Hälfte der bisherigen Beschäftigten sein, vermutlich bei reduzierten Gehältern. Einige dürften auch bei der künftigen Abgeordnetengruppe um Wagenknecht unterkommen. Wird der Antrag der Ausgetretenen auf vorläufigen Verbleib in der Fraktion abgelehnt, würden Kündigungen wohl zum 31. März 2024 wirksam. Würde er angenommen, mutmaßlich erst zum 1. Juni.

Unterdessen kursiert ein Mail-Aufruf zum »linksradikalen Masseneintritt in Die Linke«, der nach nd-Informationen zum 13. November erfolgen soll. In einer Rundmail, die »nd« vorliegt, wird der Appell mit dem Erstarken der AfD, dem allgemeinen Rechtsruck und der Gefahr begründet, dass mit der Linken die einzige »antikapitalistische Partei« bei der »nächsten Bundestagswahl aus dem Parlament fliegt«. Zudem gingen damit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Gelder »für Studien, Stipendien und linke Kultur« verloren.

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Die Absender des Schreibens bezeichnen sich in einem »Manifest« als »Linke aus verschiedenen Teilen der Zivilgesellschaft, die sich der parlamentarischen Politik nie verbunden gefühlt« und stattdessen »protestiert, blockiert, gestreikt und Politik und Kultur von unten organisiert« hätten. Angesichts vieler gescheiterter Strategien sehe man sich gezwungen, »unsere bisherige Politik radikal zu überdenken«, sich neu zu organisieren und »drohenden und bereits stattfindenden Katastrophen etwas entgegenzusetzen«. In der E-Mail heißt es weiter, dass soziale Bewegungen »wie auch die Arbeiter*innenklasse handlungsunfähig und fragmentiert« seien. »Alle unsere Bemühungen, von Seenotrettung über Klimastreik bis Deutsche Wohnen Enteignen, scheinen ins Leere zu laufen, solange sie nicht in einer verbindenden Basisorganisation kanalisiert werden.« Nach dem Abgang von Wagenknecht und anderen bestehe »eine historische Chance, die Linkspartei zu retten«. Deshalb sei man bereit, »über unseren anarchistisch-hedonistischen/(post-)autonomen Schatten zu springen«.

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