Die Ukraine als Verhandlungsmasse

Bei den US-Republikanern wächst der Widerstand gegen eine weitere Unterstützung Kiews. Die Gründe liegen im Inland

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit den Vorsitzenden der Republikaner und Demokraten im Senat, Mitch McConnell und Chuck Schumer
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit den Vorsitzenden der Republikaner und Demokraten im Senat, Mitch McConnell und Chuck Schumer

Russland und die USA sind geopolitische Rivalen. Das sprechen Regierungsvertreter und Strateginnen beider Seiten seit Jahren offen aus. Insofern mag es überraschen, dass in der US-amerikanischen Innenpolitik gerade ein heftiger Streit um die weitere Unterstützung der Ukraine tobt, und dass ausgerechnet die Republikanische Partei, die weder für Pazifismus noch außenpolitische Zurückhaltung bekannt ist, sich in dieser Frage querstellt.

Der US-Kongress wird es in diesem Jahr vermutlich nicht schaffen, einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, rund 60 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Geldern für die Ukraine können damit nicht ausgezahlt werden. Die Republikaner verlangen als Bedingung von den Demokraten Verschärfungen beim Asylrecht, die diese unter keinen Umständen mitzutragen bereit sind. Zahlreiche Fraktionsmitglieder der Konservativen im Senat sind also mindestens bereit, die Ukraine als Verhandlungsmasse einzusetzen, um dem politischen Gegner zu schaden. Im Repräsentantenhaus gibt es sogar eine größere Gruppe von Abgeordneten, die eine weitere Unterstützung der Ukraine gänzlich in Zweifel zieht.

Die Gründe für diese Haltung bilden eine etwas undurchsichtige ideologische Gemengelage, die sich je nach Parteiflügel und Person deutlich unterscheiden kann. Sie lässt sich in den meisten Fällen aber auf drei Stichworte reduzieren: Trump, China, Kulturkampf.

Der Ex-Präsident, der seine Wahlniederlage gegen Joe Biden von 2020 immer noch anzweifelt und sie offenbar nicht verwunden hat, wird höchstwahrscheinlich wieder Kandidat der Konservativen. Keiner seiner Kontrahenten bei den Mitte Januar beginnenden Vorwahlen kann ihm bisher gefährlich werden: Eine kritische Masse der Parteibasis steht fest zu ihm.

Trump ist kein Pazifist. Episoden wie die Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch eine US-Drohne zeigen, dass er bereit ist, die Macht des US-amerikanischen Militärs auf gefährliche und destabilisierende Weise einzusetzen. Seine Rhetorik gegenüber China ist scharf, auch wenn er meist vermeidet, ins offen Militaristische abzugleiten. Am Ukrainekrieg zeigt Trump hingegen weitgehendes Desinteresse. Trump behauptet, dass er den Konflikt innerhalb von 24 Stunden lösen könnte. Wie dies gelingen soll, darüber erfahren die Wählerinnen vom Ex-Präsidenten wenige Einzelheiten.

Im liberalen Lager neigt man dazu, Trump zu psychologisieren und ihm eine Wahlverwandtschaft mit dem russischen Präsidenten nahezulegen. Viele Demokraten machen Putin immer noch für die Niederlage von Hillary Clinton verantwortlich, obwohl es kaum Anzeichen dafür gibt, dass russische Propaganda für den Wahlausgang von 2016 eine signifikante Rolle gespielt hat. Trump ist in erster Linie ein Machtpolitiker mit wenigen ideologischen Prinzipien. Die eigene Basis steht Russland indifferent gegenüber, also ergibt sich für Trump kein Vorteil aus dieser geopolitischen Auseinandersetzung. Bei christlich-konservativ geprägten Republikanern gibt es sogar eine gewisse Sympathie für Putins regressiv-orthodoxe Gesellschaftspolitik. Viel wichtiger ist jedoch: Putin bringt die Gegenseite in Rage. Im polarisierten US-Diskurs ist dies Grund genug, mit ihm ein Arrangement zu suchen.

Beim eher Trump-skeptischen, wirtschaftsliberalen Parteiestablishment der Republikaner überwiegt jedoch ein anderes Argument: Die Konfrontation mit Russland lenke von der Einhegung des Hauptrivalen China ab, die oberste Priorität sein müsse. So argumentiert etwa auch der Politikwissenschaftler John Mearsheimer, einer der prominentesten konservativen Kritiker der westlichen Ukrainepolitik, der auch unter Linken viel Zuspruch findet. Außerdem wollen sich die Establishment-Republikaner proaktiv mit Trump gutstellen, der derzeit beste Chancen hat, nächster US-Präsident zu werden. Einige, wenn auch bei weitem nicht alle Mitglieder des Parteiflügels sehen in der Ukrainefrage eine gute Gelegenheit dazu. Andere, wie etwa die Präsidentschaftskandidatin und ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley, halten an einer Unterstützung fest und betonen die langfristigen strategischen Kosten, die ein russischer Sieg für die USA hätte.

Über konkrete Alternativen zu einer Weiterführung des Ukraine-Kriegs wird selten im Detail gesprochen, weder von Trump-Anhängern noch vom Establishment. Die europäische oder gar die ukrainische Perspektive kommt in der öffentlichen Debatte nur insofern vor, als dass davor gewarnt wird, seine Verbündeten im Stich zu lassen, da man die europäischen Eliten sonst für das atlantische Projekt verlieren könnte, wie Stimmen aus dem Anti-Trump-Lager immer wieder warnen. Was im Interesse der Mehrheit der ukrainischen, russischen oder EU-Bürgerinnen wäre, ist für den Mainstream-Diskurs in den USA keine relevante Fragestellung. Dies gilt für Liberale und Konservative gleichermaßen.

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