Bundesregierung will Solidarität für Hamas in EU »austrocknen«

Alle EU-Staaten sollen Netzwerke wie Samidoun verbieten und Konten auflösen

Soll Vorbild für alle EU-Staaten werden: Die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) präsentiert Verbotsverfügungen für die Hamas und deren Unterstützernetzwerk Samidoun.
Soll Vorbild für alle EU-Staaten werden: Die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) präsentiert Verbotsverfügungen für die Hamas und deren Unterstützernetzwerk Samidoun.

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, »Unterstützungsnetzwerke« der Hamas und anderer bewaffneter Akteure in allen EU-Staaten »auszutrocknen«. Das geht aus einem Dokument hervor, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch online gestellt hat. Es enthält Vorschläge zur Einschränkung von Ressourcen und dem Verbot von verschiedenen Gruppen. Ausdrücklich genannt wird das Netzwerk Samidoun, das vom Bundesinnenministerium am 2. November zusammen mit der Hamas in Deutschland verboten wurde. Als Anlass galt eine Versammlung in Berlin am 7. Oktober, bei dem die bewaffneten Angriffe der Hamas auf Israel von rund einem Dutzend Samidoun-Mitgliedern mit der Verteilung von Süßigkeiten gefeiert wurden.

Bei dem Dokument handelt es sich um ein sogenanntes Non Paper, das demnach als Diskussionspapier zu verstehen ist und keinen offiziellen Absender trägt. Verfasst wurde es von den Regierungen in Berlin, Paris und Rom. Als Adressat werden der Auswärtige Dienst in Brüssel und der Militärstab der Europäischen Union genannt. Diskutiert wurde das Non Paper in der Ratsarbeitsgruppe für Außenbeziehungen, in der aus Deutschland das Auswärtige Amt vertreten ist. Ergebnisse der Beratungen sind nicht bekannt.

Der Vorschlag betont die Notwendigkeit, die Hamas international zu isolieren und ihre Darstellung als »Verteidiger der (gerechten) palästinensischen Sache« zu delegitimieren. Es soll verhindert werden, dass sich die islamistischen Kämpfer als »Vertreter« der palästinensischen Bevölkerung präsentieren können. Die Hamas wird bereits von Australien, Kanada, der EU, Israel, Japan und den Vereinigten Staaten als terroristische Organisation eingestuft.

Als mögliche Maßnahmen nennen die Regierungen Deutschlands, Italiens und Frankreichs Sanktionen und die »Unterbindung von Finanzströmen«. So soll die »Abzweigung humanitärer Hilfe« an die Hamas und ihr nahestehende Organisationen verhindert werden. Auch Internetinhalte, die Solidarität mit dem bewaffneten Kampf gegen Israels Krieg in Gaza ausdrücken, sollten entfernt werden.

Den Verfassern ist bewusst, dass ein Alleingang von EU-Staaten in der Sache wenig Sinn macht. »Sobald die politischen Voraussetzungen gegeben sind«, sollten die Maßnahmen deshalb »idealerweise im Rahmen einer breiten Koalition von Staaten (mit starker arabischer Beteiligung) umgesetzt werden«, heißt es in dem Dokument.

Statewatch hat zu den Vorschlägen Julia Hall, die bei Amnesty International zur Terrorismusbekämpfung forscht, befragt. Sie hält ein europaweites Verbot von Samidoun und anderen Netzwerken für problematisch, denn es fehle an einer internationalen Definition von Terrorismus. Daher sei auch schwer zu bestimmen, was unter »Unterstützung« zu verstehen ist.

Schon jetzt würden viele Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Solidaritätsgruppen wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte in Palästina von europäischen Behörden eingeschüchtert und verfolgt, sagt Hall. Legitime Kritik am Gaza-Krieg sei aber nicht per se antisemitisch und müsse von Hassreden abgegrenzt werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal