SPD Berlin: Auch für Raed Saleh wird die Luft dünner

Giffey hält sich trotz Absage an SPD-Vorsitz Spitzenkandidatur bei Abgeordnetenhauswahl offen

Rückzug vom Rückzug: Keine 24 Stunden, nachdem Wirtschaftssenatorin und Ex-Regierende Franziska Giffey angekündigt hatte, nicht erneut für den SPD-Landesvorsitz zu kandidieren, macht sie bereits deutlich, trotzdem weiter das Gesicht der Berliner Sozialdemokraten bleiben zu wollen. Im Interview mit dem »RBB-Inforadio« erklärte sie am Donnerstag, sich trotz des Rückzuges aus der Landesspitze eine Spitzenkandidatur für die nächsten Abgeordnetenhauswahlen im Jahr 2026 offenzuhalten. »Die Entscheidung jetzt ist keine Entscheidung für 2026«, sagte sie. Wie sich die SPD im Wahlkampf aufstelle, könne man aktuell noch nicht absehen, winkte Giffey mit dem Zaunpfahl.

Dass Giffey auf eine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz verzichten könnte, stand bereits seit Längerem im Raum. Im vergangenen Sommer hatte ein SPD-Landesparteitag beschlossen, dass der Doppelspitze mindestens ein Mitglied angehören sollte, das nicht zugleich Führungsverantwortung in der Abgeordnetenhausfraktion oder im Senat trägt. Es war also ohnehin ausgeschlossen, dass Giffey noch einmal gemeinsam mit ihrem machtbewussten Ko-Landeschef Raed Saleh, der gleichzeitig auch Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Abgeordetenhaus ist, antreten würde.

Überrascht waren viele SPD-Mitglieder aber vom Zeitpunkt der Ankündigung. Intern war eher damit gerechnet worden, dass Giffey und Saleh eine gemeinsame Erklärung zu ihrer politischen Zukunft abgeben würden. Giffey preschte nun aber vor. Saleh wusste im Vorfeld zwar von Giffeys Plan, befindet sich jetzt aber in einer schwierigen Position. Aus Parteikreisen wird berichtet, dass Salehs Suche nach einer möglichen Mitkandidatin bislang erfolglos blieb. Die Parteisatzung sieht vor, dass es sich um eine Frau handeln muss.

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Für Saleh wird die Luft jetzt spürbar dünner. Schon länger gibt es im linken Parteiflügel, dem Saleh formell selbst angehört, Unzufriedenheit mit dem Unternehmer. Ihm wird vorgeworfen, Giffeys letztlich erfolgreichem Vorhaben, die SPD aus der Koalition mit Grünen und Linken in eine Große Koalition zu führen, wenig entgegengesetzt zu haben. Tatsächlich rückte der Parteilinke im Verlauf seiner Amtszeit als Landesvorsitzender hinter Giffey immer mehr in den Schatten und war zuletzt kaum noch öffentlich wahrnehmbar.

Mit der Kritik treten manche nun auch in die Öffentlichkeit. »Raed Saleh ist genauso wie Franziska Giffey für die schlechten Wahlergebnisse verantwortlich«, sagt Kari Lenke, Landesvorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos. Sie wünscht sich einen »personellen Neuanfang« – also eine komplett neue Landesspitze. Nach »nd«-Informationen soll es vor allem im SPD-Kreisverband Mitte starke Kräfte geben, die Saleh von einer erneuten Kandidatur abbringen wollen.

Ob Saleh für solche Ratschläge empfänglich ist, ist unwahrscheinlich. Aktuell ist er im Urlaub. Offiziell will sich außer ihm noch niemand zu einer Kandidatur bekennen. Parteiintern wird befürchtet, dass sich die Personalfrage zum Richtungsstreit entwickeln könnte und am Ende je ein Duo vom rechten und vom linken Flügel kandidieren könnte. Mit Giffeys Ankündigung, »die unterschiedlichen Strömungen in der Partei zusammenzuführen«, hätte das nicht mehr viel zu tun. Im linken Parteiflügel galt das ohnehin als unglaubwürdig. Hier wird damit gerechnet, dass Giffey-Verbündete bereits im Hintergrund auf der Suche nach einem eigenen Kandidatenduo sind. Mit Namen möglicher Kandidaten halten sich Parteikreise bedeckt, nur Kian Niroomand wird immer wieder genannt. Der promovierte Volkswirt hat bereits eine steile Karriere in der Partei hinter sich und ist innerhalb weniger Jahre zum stellvertretenden Landesvorsitzenden aufgestiegen.

Streit droht der SPD schon im Vorfeld: Vor möglichen Kandidaturen muss der Prozess geklärt werden, mit dem die SPD eine neue Spitze finden will. Unter dem Namen »#SPDzukunftsfest« hat sich bereits eine Initiative gegründet, die Unterschriften für eine Mitgliederbefragung sammeln will. »Nur eine solche Basisentscheidung vermittelt das hinreichende Vertrauen und den notwendigen Rückhalt, um die Partei zusammenzuführen«, heißt es in der Erklärung.

Von solchen Befragungen profitierte in der Vergangenheit vor allem der rechte Flügel. So stimmten die SPD-Mitglieder im vergangenen Frühjahr knapp für die Koalition mit der CDU und erteilten 2014 dem Parteilinken Jan Stöß eine deftige Niederlage bei der Abstimmung über seine Kandidatur als Regierender Bürgermeister. Nicht überraschend sind es daher auch diesmal vor allem rechte Sozialdemokraten, die die Frage nach der Landesspitze von der Basis geklärt sehen wollen. Auf der anderen Seite ist man da skeptischer. »Wir wünschen uns eine Entscheidung auf dem Landesparteitag«, sagt Juso-Landesvorsitzende Kari Lenke. Sie schlägt allerdings vor, dass sich die Kandidaten in Mitgliederforen vorstellen und mit der Basis austauschen.

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