Stillstehender Neubau und insolvente Investoren in Berlin

Pleiten von Immobilienunternehmen legen zahlreiche Bauprojekte lahm, zum Beispiel das Hochhausprojekt nahe der Mercedes-Benz-Arena

  • David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 6 Min.
Am Alexanderplatz steht der Bau eines Hochhausprojektes mit 377 Luxuswohnungen seit einem Jahr still.
Am Alexanderplatz steht der Bau eines Hochhausprojektes mit 377 Luxuswohnungen seit einem Jahr still.

Und wieder eine Baustelle, auf der nicht weitergebaut wird. Beim Bauprojekt »Upside Berlin« in Friedrichshain stehen alle Kräne still. Die zwei Türme, genannt »Max und Moritz«, sind komplett eingerüstet, auf der Baustelle passiert wenig. Während eines der mit Naturstein verkleideten Sockelgebäude bereits fertig ist und laut Klingelschild teilweise bewohnt, wird an den restlichen der insgesamt 180 Eigentums- und 200 Mietwohnungen vorerst nicht mehr weitergebaut. Wie bei anderen Großbauprojekten auch hat den Investor Tayfun Demirören die makroökonomische Entwicklung kalt erwischt. Der Investor musste bereits im Spätsommer Insolvenz anmelden. Dies wurde erst im Januar 2024 durch türkische Medienberichte publik. Die Suche nach neuen Finanziers blieb bislang erfolglos.

Auch in den bereits fertiggestellten Gebäuden gibt es augenscheinlich Probleme. Auf einem Zettel an der Eingangstür aus Glas werden Paketzulieferer um Geduld gebeten, denn »diese Tür ist wie alles andere in diesem Gebäude kaputt«. An einem anderen Eingang hat der Gasversorger per Aushang vom 7. Dezember angekündigt, man werde bis zum 14. Dezember die Gaslieferung für die Hausheizung einstellen. Auf dem nicht bewohnbaren Teil des Geländes sind trotz Baustopps Bauarbeiter zu sehen. Im Gespräch mit »nd« sagt einer von ihnen, sie würden hier freiräumen, damit mehr Platz sei, denn es gehe bald weiter.

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Tobias Nöfer, dessen Architekturbüro die Türme entworfen hat, ist optimistisch: »Eine Lösung ist in Sicht«, erklärt er gegenüber »nd«, auch wenn er wegen laufender Gespräche nicht ins Detail gehen will. Den Ärger der Bewohner*innen versteht er. Direkt neben einer Baustelle zu wohnen, sei immer anstrengend. Von Luxuswohnungen möchte er nicht sprechen, »das sind in erster Linie einmal Wohnungen«, so Nöfer, und er ergänzt: »Es sind sehr komplexe Gebäude, die mit den verschiedenen Nutzungen sehr urban wirken – Gewerbe, Mietwohnungen und im Erdgeschoss Ladenflächen, die mit ihren Schaufenstern auch für die Allgemeinheit etwas bieten.«

Christoph Möller, Sprecher des Insolvenzverwalters Christian Otto, erklärt auf nd-Anfrage, Herr Otto befinde sich derzeit in Gesprächen mit den wesentlichen Beteiligten, um Aufwand und Kosten der Fertigstellung zu ermitteln. Diese Gespräche seien bereits weit fortgeschritten, dauerten aber noch an. »Wir bitten deshalb um Verständnis, dass wir uns zurzeit nicht zum Stand und zur weiteren Planung für das Projekt äußern, um die laufenden Verhandlungen nicht zu belasten«, so Möller weiter.

Mit den Türmen und dem Gebäudekomplex wird eine der letzten Baulücken des Investorengroßprojekts »Mediaspree« geschlossen. Vor zehn Jahren hatte es noch große Proteste gegen die Bebauung des Spreeufers und der angrenzenden Grundstücke auf dem ehemaligen Mauerstreifen mit Hochhäusern gegeben. Die Kampagne »Mediaspree versenken« mobilisierte Tausende. Der Kampf war nicht erfolgreich, und heute reiht sich dort ein Neubau an den anderen. Auf der Homepage der von Tayfun Demirören gegründeten und mittlerweile aufgelösten Firma Mikare wird »Upside Berlin« als Investitionsobjekt beworben. In Berlin werden trotz Nachfrage nach 20 000 Wohnungen nur 10 000 angeboten, heißt es dort, und die Immobilienpreise seien von 2015 bis 2016 um 13 Prozent, die Mietpreise um 7 Prozent gestiegen. Investitionsparadies Berlin also.

Die Erwartung, mit Immobilien in Berlin das große Geschäft zu machen, scheint sich auch an anderen Stellen nicht zu erfüllen. Pleitemeldung folgt auf Pleitemeldung. Berühmt-berüchtigt ist zum Beispiel der Steglitzer Kreisel, ein 120 Meter hohes, in den 70ern fertiggestelltes ehemaliges Verwaltungsgebäude, das seit 2007 leer steht. 2017 kaufte die CG-Group das Gebäude und versprach – nach öffentlich finanzierter Asbestbeseitigung – den Bau von 330 Eigentumswohnungen.

Die CG-Group ging in die Adler-Group über, die den Bau heute verantwortet. Aber auch dort Stillstand. Denn die Adler-Group, die in Berlin noch knapp 18 000 Wohnungen besitzt, ist in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten und schreibt seit Jahren Milliardenverluste, die sie über den Verkauf ihres Wohnungsbestands auszugleichen versucht. Spätestens Ende Juni 2022 hätten die Wohnungen am Steglitzer Kreisel fertig werden sollen, aber daraus wurde nichts. Der Turm sei komplett entkernt worden und die Fassade zurückgebaut, sagt Dobroslawa Padzer, Pressesprecherin der Adler-Group, zu »nd«. »Zurzeit erfolgen Stahlbauarbeiten in der Bestandskonstruktion«, so Pazder weiter.

Die Liste ähnlicher Fälle lässt sich fortsetzen: Mitte August 2023 war bekannt geworden, dass die Nürnberger Project Immobilien Insolvenz angemeldet hat. An 800 Wohnungen in Berlin wird nicht weitergebaut. Im selben Monat meldete die Euroboden GmbH Insolvenz an. Ob an dem Projekt »Wohnregal« in Kaulsdorf weitergebaut wird, beantwortete das Architekturbüro Frohn und Rojas nicht. Das Projekt »Elements« in Friedrichshain, bei dem auf einem Viertel der Fläche von 20 000 Quadratmetern Wohnungen hätten entstehen sollen, steht ebenfalls still.

Ein Sonderfall findet sich am Alexanderplatz in Mitte. Dort sind die finanziellen Mittel theoretisch durchaus vorhanden. Trotzdem passiert bei dem 150-Meter-Hochhausprojekt mit geplanten 377 Luxuswohnungen seit einem Jahr nichts. Die wesentliche Einnahmequelle der MonArch-Gruppe sei Wohnungsbau in Russland. Das dort verdiente Geld bekomme der Investor wegen der Sanktionen infolge des Krieges in der Ukraine nicht heraus, so der Anwalt des Investors Detlev Stoecker. »Wir sind in Gesprächen mit potenziellen neuen Partnern, aber der Prozess dauert länger als gedacht.«

Und auch andere große Player im Mieten- und Immobiliengeschäft sind in Schwierigkeiten und fangen gar nicht erst an zu bauen. Der Wohnungsriese Vonovia etwa macht wegen der Abwertung der Wohnungsbestände durch die sinkenden Immobilienpreise Verluste, die über den Verkauf von Wohnungen und einen Baustopp ausgeglichen wurden. Von den 60 000 von diesem Baustopp betroffenen Wohnungen befinden sich 1500 in Berlin.

Konstantin A. Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erklärte dazu im Gespräch mit »nd«, der Wert dieser Unternehmen sei von der Bewertung ihres Bestandes abhängig: »Sinken die Immobilienbewertungen, schrumpft der Wert der Firma, was die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, einschränkt. Gleichzeitig sind Investoren weniger geneigt, Geld in die Unternehmen zu stecken.«

Eine pauschale Aussage über die Gründe von Insolvenzen im Immobilienbereich will Kholodilin nicht treffen. Es gebe aber veränderte Marktbedingungen, die die Situation für Immobilienunternehmen erschweren. »Mit den vorher niedrigeren Zinsen war ein anderes Investitionsverhalten rentabel als jetzt. Es war möglich, mehr Gewinne zu machen. Unternehmen, die auf niedrige Zinsen spekuliert haben, geraten jetzt in Schwierigkeiten.« Auch die gestiegenen Baukosten führten zu Problemen.

Hat es sich also ausgezockt auf dem Berliner Immobilienmarkt? Ob es zu weiteren Pleiten kommen wird, kann Kholodilin im Einzelfall nicht sagen. Für die makroökonomische Entwicklung ist er aber vorsichtig optimistisch: »Die Baukosten werden vermutlich nicht weiter steigen. Und auch die EZB wird Ende des Jahres die Leitzinsen wieder senken.«

Egal ob bei den vielen stillstehenden Projekten eine Lösung gefunden wird, eins der dringendsten Probleme für die Berliner*innen bleibt davon unberührt: Die immer weiter steigenden Mieten. Am 11. Januar veröffentlichte »Immoscout 24« sein Wohnbarometer für das vierte Quartal 2023. »Berlin stellt neue Rekorde bei der Preisdynamik auf«, so das Immobilienportal. Schon die Bestandsmieten sind mit durchschnittlich 13,27 Euro pro Quadratmeter um 11,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Für Neubaumieten werden durchschnittlich astronomische 19,45 Euro pro Quadratmeter verlangt, ein Anstieg von 20 Prozent innerhalb eines Jahres. Neubauwohnungen, die bezahlbar sind, werden in Berlin offensichtlich nicht gebaut – egal, ob Baustopp oder nicht.

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