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Tödliches Chaos in Südtexas

An der US-Südgrenze starben drei Menschen. Grund könnte ein Streit zwischen Behörden gewesen sein

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Schicksal der drei Menschen, die am Freitagabend im Rio Grande bei Eagle Pass, Texas an der Grenze der USA zu Mexiko ertranken, ist bei weitem kein Einzelfall. Es sind die Umstände ihres Todes, die nun in den US-Medien für Aufsehen sorgen. Denn es besteht der Verdacht, dass die Frau und die zwei Kinder aufgrund eines Streits zwischen verschiedenen US-Behörden ums Leben kamen. Grund für die Auseinandersetzung war offenbar die Grenzpolitik des texanischen Gouverneurs Greg Abbott.

Die reguläre Grenzpolizei, die der Bundesregierung in Washington D.C. und damit Präsident Joe Biden untersteht, war am Freitag auf das Sportgelände Shelby Park gerufen worden, wie der Sender Texas Public Radio berichtet. Mexikanische Beamte hatten beobachtet, dass sich dort Personen in Lebensgefahr befanden.

Doch die Bundesbeamten wurden laut Medienberichten vom Zugang zum Park abgehalten: Denn dieser ist seit Anfang vergangener Woche von Soldaten der texanischen Nationalgarde besetzt, die sich dort im Rahmen eines Sondereinsatzes zum Grenzschutz aufhält. »Operation Lone Star« wurde 2021 von Abbott angeordnet, um irreguläre Einwanderung zu unterbinden. Seither überwachen zusätzlich zur regulären Grenzpolizei Einheiten der Nationalgarde das Gebiet. Diese besteht in den USA aus Reservistenverbänden, die den Regierungen der jeweiligen Bundesstaaten unterstellt sind und das US-Militär nach Bedarf auf seinen Missionen unterstützen sollen. Auch die Gouverneur*innen der Staaten können die Einheiten aktivieren, etwa für den Katastrophenschutz.

Abbott jedoch schickte die Truppe auf eine Mission, bei der sie die Aufgaben des Grenzschutzes in doppelter Funktion mit den Bundesbehörden erfüllt. Er ließ unter anderem schwimmende Barrieren mit Sägeblättern zwischen den Bojen auf dem Rio Grande installieren, die ebenfalls zu Todesfällen führten. Die politische Botschaft dahinter ist offensichtlich: Biden hat die Grenze nicht im Griff, das republikanisch regierte Texas muss sich selbst um die Situation kümmern. Die Folgen dieser Symbolpolitik zeigt der Vorfall vom Freitag.

Die Nationalgarde habe die Bundesbeamt*innen am Zutritt zum Sportgelände gehindert, teilte der demokratische Kongressabgeordnete Henry Cuellar der Presse mit. Die texanischen Einheiten hätten den Zugang selbst nach Verweis auf die Notlage verweigert. Die Leichen der Frau und der Kinder wurden später von mexikanischen Beamt*innen geborgen. Am Sonntag teilte die texanische Militärbehörde mit, man sei für den Tod der Menschen nicht verantwortlich, da sich dieser bereits vor dem Eintreffen der Bundespolizei ereignet habe.

Der Fall ist beispielhaft dafür, wie in den USA mit dem Leben von Einwander*innen Politik gemacht wird. Abbotts medienwirksamer Einsatz der Nationalgarde ist nur eine der Maßnahmen, die Konservative ergriffen haben, um Härte zu demonstrieren. Abbott und andere republikanische Gouverneure lassen Menschen auch aus ihren Staaten per Bus oder Flugzeug in demokratisch regierte Städte transportieren, mitunter gelockt durch falsche Versprechen.

Dabei ist es keineswegs so, als stünde ihr politischer Gegner in der Migrationspolitik für besondere Humanität: Joe Biden hat die Einwanderungspolitik seines Vorgängers nicht grundsätzlich korrigiert. Einige der grausamsten Vorschriften, wie etwa die getrennte Inhaftierung von Familien, hob Biden auf. Die Grenzschutzanlagen zu Mexiko, Donald Trumps berühmte »Mauer«, lässt er aber weiter ausbauen. Für die Einwanderung aus Zentralamerika wurden restriktive Quoten beschlossen; alle, die es über die Südgrenze versuchen, sollen abgewiesen werden. Stattdessen sollen sie sich im Ausland um Asyl bewerben, in erster Linie in Drittländern. Nur wenn ihnen dort kein Aufenthalt gewährt wird oder sonstige Gründe, wie etwa familiäre Beziehungen, für eine Einreise in die USA sprechen, wird ihnen diese gewährt.

Der Kongress in Washington D.C. bereitet in der Zwischenzeit eine weitere Verschärfung des Asylrechts vor. Denn trotz aller Restriktionen überquerte im Dezember eine Rekordanzahl Menschen die Grenze, wie der Fernsehsender CBS berichtete. Im Gegenzug für ihre Zustimmung zu weiteren Militärhilfen an die Ukraine verlangen Republikaner nun, dass der Präsident künftig weniger autonome Entscheidungen in der Einwanderungspolitik treffen können soll. Außerdem sollen Abschiebungen erleichtert und Asylbewerber*innen schärfer verhört werden.

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