Die DHB-Auswahl macht sich nach der EM auf den Weg an die Spitze

Die Europameisterschaft wurde von den Favoriten bestimmt, die deutschen Handballer wollen bald dazugehören

  • Felix Meininghaus, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Europameister Frankreich mit Nedim Remili, dem wertvollsten Spieler der EM, war auch für das talentierte DHB-Team – noch – zu stark.
Europameister Frankreich mit Nedim Remili, dem wertvollsten Spieler der EM, war auch für das talentierte DHB-Team – noch – zu stark.

Alfred Gislason zog die Stirn in Falten. Der Trainer der deutschen Handballer musste erstmal innehalten und nachdenken, als er gebeten wurde, nach dem letzten Auftritt seiner Mannschaft bei der Heim-Europameisterschaft ein Fazit zu ziehen und einzuordnen, wo sein Team im Vergleich zur internationalen Spitze stehe. Dann sagte der 64-jährige: »Wir haben nicht die Erfahrung von Dänemark, Frankreich und Schweden, aber wir haben sehr viel Talent.«

Der Isländer nannte genau die drei Konkurrenten, die bei der EM vor der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) gelandet waren. Mit dem 33:31-Finalsieg der Franzosen am Sonntagabend in der Verlängerung gegen Dänemark hatten wieder mal die Branchenführer die Medaillen abgeräumt, während sich die Gastgeber nach dem verlorenen Spiel um Platz drei gegen Schweden mit dem undankbaren vierten Rang begnügen mussten. Gegen die drei Topnationen hatte es im Turnierverlauf jeweils Niederlagen mit drei Toren Differenz gegeben. »Kein Zufall«, meint Gislason, »die stehen nicht ohne Grund vor uns«.

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Allerdings findet der Bundestrainer, dass sich der Abstand signifikant verringert hat. »Wir sind deutlich näher herangerückt als noch vor einem Jahr«, hat Gislason erkannt. Der Trend spricht also für Deutschland, findet auch Rückraumschütze Sebastian Heymann: »Wir sind nicht weit weg und alle noch jung. Wenn wir es schaffen, unsere Leistung über 60 Minuten konstant abzurufen, rücken wir noch enger ran.« Die Zukunft, so die Botschaft, könnte der DHB-Auswahl gehören. Mit David Späth, Nils Lichtlein, Justus Fischer und Renars Uscins, der vor allem in den letzten beiden EM-Spielen auf sich aufmerksam machen konnte, waren gleich vier Spieler in Gislasons Kader, die zuvor die U21-Weltmeisterschaft gewonnen hatten.

Auch ein Spieler wie Juri Knorr, der auf der Mittelposition im Rückraum das deutsche Angriffsspiel inszeniert, ist gerade mal 23. Ihm und seinen Mitstreitern möchte Gislason vermitteln, den Rhythmuswechsel, den die Besten aus dem Effeff beherrschen, ebenfalls zu verinnerlichen und nicht mit dem Kopf durch die Wand zu gehen: »Geduld, mal anders spielen – wenn das klappt, bin ich sehr optimistisch.«

Nach der Niederlage im Halbfinale gegen Dänemark gewährte Knorr Einblicke in sein Seelenleben. Er habe sich »ein bisschen von der Angst vor der Größe des Moments lähmen lassen«, gestand der Spielmacher. So etwas wolle er »nicht noch einmal erleben. Das ist es nicht wert.« Das größte deutsche Handballtalent der vergangenen zehn Jahre – zusammen mit Torwart Andreas Wolff ins All-Star-Team der EM gewählt – und seine Mitstreiter wähnen sich also erst am Anfang einer Entwicklung, die spätestens bei der Heim-Weltmeisterschaft im Jahr 2027 nach ganz oben führen soll, idealerweise jedoch schon bei den Großereignissen davor. Gislason wünscht seinem Lieblingsschüler einen Tick mehr Gelassenheit: »Juri ist ein Superspieler, aber er ist nicht der Retter der Nation.«

Auf dem Weg an die Spitze war diese Europameisterschaft für die Deutschen lediglich eine Zwischenstation. Deshalb entschied sich die Mannschaft auch, auf die Einladung von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker in das historische Rathaus der Stadt zu verzichten. Solch ein Termin fühle sich »für uns aus mehrerlei Gründen nicht richtig an«, sagte Kapitän Johannes Golla: »Wir sind noch nicht am Ende unseres Weges. Deshalb gehören wir noch nicht auf einen solchen Empfang.«

Auf der Habenseite können die Gastgeber die Weltrekord-Kulisse von 53 000 Besuchern beim Auftakt in Düsseldorf gegen die Schweiz, die tolle Stimmung während der Vorrunde in Berlin und der Hauptrunde in Köln sowie fantastische Einschaltquoten verbuchen: Fast zehn Millionen Zuschauer hatten allein das Halbfinalspiel gegen Dänemark vor den Bildschirmen verfolgt. Die Sportart Handball hat kräftig Werbung in eigener Sache gemacht. »Was in den letzten zweieinhalb Wochen in diesem Land passiert ist, ist einfach großartig«, findet Kreisläufer Jannik Kohlbacher.

Den nächsten Schritt wollen Deutschlands Handballer Mitte März machen, wenn es in Hannover gegen Kroatien, Österreich und Algerien um zwei Tickets für die Olympischen Sommerspiele in Paris geht. Rückraumspieler Philipp Weber glaubt fest daran, dass es gelingen wird, die Startberechtigung für das große Turnier in der französischen Hauptstadt herauszuwerfen: »Die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Nämlich bergauf.«

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