Die Frauen-Bundesliga darf nicht den Anschluss verlieren

Geschäftsführer Holger Blask über den DFB-Plan für den Fußball der Frauen

  • Interview: Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Historisches Scheitern: Wolfsburg mit Ewa Pajor (r.) verpasste gegen den Paris FC den Einzug in die Gruppenphase der Champions League.
Historisches Scheitern: Wolfsburg mit Ewa Pajor (r.) verpasste gegen den Paris FC den Einzug in die Gruppenphase der Champions League.

Es wird mittlerweile öffentlich diskutiert, dass die Fußballerinnen in einer eigenen Gesellschaft womöglich besser als beim DFB organisiert wären, weil dann mehr Geld herausgeholt werden kann. Was halten Sie davon?

Die Frauen-Bundesliga hat in den vergangenen zwei Jahren in Sachen medialer Sichtbarkeit und Erlöse basierend auf den nationalen und internationalen Medienverträgen sowie Partnerschaften und Namenssponsoren einen enormen Schritt gemacht. Gemessen am Zentralvermarktungserlös liegt sie aktuell vor Spanien und Frankreich sowie nur knapp hinter der englischen Women’s Super League. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen.

In den USA verfügt die Liga durch einen neuen TV-Vertrag die nächsten vier Jahre über 240 Millionen US-Dollar. In England könnte es von den bisher zwölf Millionen Euro jährlich durch die Ausgliederung auch einen sprunghaften Anstieg geben.

Insbesondere der Medienrechteabschluss in den USA und die Investitionsbestrebungen in England bringen weitere Dynamik in die Entwicklung des internationalen Frauenfußballs. Die Zielstellung muss sein, den Frauenfußball hierzulande noch stärker in der Gesellschaft zu verankern, den Spielerinnen Rahmenbedingungen für ihren Profisport zu bieten, weitere Fans zu gewinnen und in dem Zuge die Liga zu einem sich wirtschaftlich selbst tragenden System zu entwickeln. Eine Ausgliederung ist per se kein Allheilmittel.

Interview
Dvºsseldorf, Deutschland, SPOBIS Conference, Sportbusiness Kongr...

DFB-Geschäftsführer Holger Blask erklärt, warum der deutsche Frauenfußball international den Anschluss zu verlieren droht, was in dem Wachstumsplan für die Frauen-Bundesliga steht und warum der Verdienst der Spielerinnen schnell erhöht werden sollte, aber die Aufstockung der höchsten Spielklasse noch Zeit benötigt

Axel Hellmann hat als Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt seine Sorge artikuliert, dass international der Anschluss verloren geht.

Ich teile absolut die Ansicht, dass wir die Frauen-Bundesliga progressiv und zügig weiterentwickeln müssen, um den internationalen Anschluss nicht zu verlieren. Wir arbeiten seit fast einem Jahr an einem konkreten Wachstums- und Professionalisierungsplan, der sehr vielfältige Maßnahmen umfasst. Da geht es um infrastrukturelle, personelle, mediale und weitere Rahmenbedingungen.

Formuliert ist das Ziel, die beste Frauen-Liga der Welt sein zu wollen. Allein mit der geforderten Stadioninfrastruktur – mindestens 5000 Plätze, Vip-Bereiche, Rasenheizung, Flutlicht mit 1200 Lux und TV-Compound – wird ein sehr hoher Investitionsbedarf skizziert, was die Inhalte des Konzepts brisant macht.

Ich würde eher sagen, die aus der Analyse abgeleitete Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen, die nicht nur infrastrukturelle Aspekte umfassen, ist drängend.

Die Vereine sollen verpflichtet werden, neben einem Chefcoach auch einen Assistenz- und Torwarttrainer, Physiotherapeuten, Athletiktrainer und Videoanalysten in Vollzeit einzustellen. Auch ein Mindestgrundgehalt von 2920 Euro für 22 Kaderspielerinnen ist vorgesehen. Bisher verdienen aber 62 Prozent weniger als die geforderte Summe. Ist das alles überhaupt umsetzbar?

Unser Wachstumskonzept für die Frauen-Bundesliga ist umfassend und beinhaltet eine große Zahl an Einzelmaßnahmen. Im Dialog mit den Klubs wird gegebenenfalls an der ein oder anderen Stelle modifiziert werden. Ein Mindestgrundgehalt zur Förderung der Professionalisierung ist Bestandteil der Überlegungen. Die adäquate Höhe und Mechanik ist jedoch – wie viele andere Aspekte auch – Gegenstand unserer aktuellen Diskussionen und keineswegs schon festgelegt. Alle Maßnahmen zielen jedoch darauf ab, die Qualität der Liga und somit die Attraktivität für Fans und Partner zu steigern und somit auch eine verbesserte Wirtschaftlichkeit zu erzielen.

Der von Ihnen ausverhandelte TV-Vertrag bringt 5,17 Millionen Euro jährlich…

…wenn man nationale und internationale Medienerlöse inklusive der Einnahmen für die Produktion des TV-Signals und des internationalen Medienproduktes zusammenrechnet, erhalten wir aktuell rund neun Millionen Euro pro Jahr. Wir kommen hier bekanntlich aus einer noch vor gut zwei Jahren bestehenden Situation, in der nicht einmal alle Spiele der Bundesliga regelmäßig übertragen worden sind. Zudem handelt es sich hierbei um das Resultat einer breitangelegten Ausschreibung zu einem sehr guten Zeitpunkt, direkt nach der EM 2022, und somit den aktuell bestmöglichen Abschluss im deutschen Markt mit einer Erlössteigerung von 1600 Prozent. Wir können mit sechs Medienpartnern in Deutschland zudem eine breitflächige Verbreitung garantieren, die im aktuellen Entwicklungsstadium elementar ist.

Was sagen Sie zur Kritik, dass ökonomisch mehr rauszuholen ist?

Wir werden das Produkt weiter verbessern und die Reichweite weiter steigern. Dann werden wir beim nächsten Abschluss auch erlösseitig wachsen. Es scheint mir eine recht deutsche Sichtweise, einen solchen Quantensprung, der auf Investitionen, Erwartungen und Mut der TV-Partner beruht, schon in der ersten Saison der Rekordverträge kleinzureden. Allerdings nehme ich das auch nicht als überwiegende Meinung innerhalb der Liga wahr.

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Es ist bereits für 2024 ein Supercup, aber erst für 2027 eine Erweiterung auf 14 Klubs und dann für 2031 eine Aufstockung auf 16 Vereine vorgesehen. Sollte es nicht schneller gehen?

Das ist eine der aktuell diskutierten Fragen. Wir wollen einen hochklassigen, ausgeglichenen, spannenden Spielbetrieb, der auch eine ausgeweitete Vermarktung ermöglicht. Aber um die Kriterien zu erfüllen, muss die Qualität der zusätzlichen Spiele mitwachsen. Sonst führt die Aufstockung zu einer noch weiter auseinanderdriftenden Mehrklassengesellschaft. Aktuell stehen unseres Erachtens keine vier weiteren Klubs vor der Tür, die entsprechende Strukturen und sportliche Qualität mitbringen.

Tobias Trittel ist als Vorsitzender des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen zurückgetreten, weil die Vereine zu sehr auf der Bremse stehen.

Wir nehmen grundsätzlich eine sehr hohe Einigkeit in der Bundesliga wahr, die Professionalisierung voranzutreiben. Dass es hinsichtlich einzelner Ansätze und Maßnahmen unterschiedliche Auffassungen oder Interessenlagen gibt, ist in einem Liga-Gebilde ganz normal. Wir sind aber zuversichtlich, dass sich hier ein gemeinsamer Weg finden lässt. Unser Plan ist bewusst so aufgesetzt, dass er den unterschiedlichen Vereinsmodellen weiterhin ermöglicht, an der Bundesliga teilzunehmen.

Beim Spiel der DFB-Frauen gegen Frankreich um die Olympia-Qualifikation wird am Freitag in der ARD wieder ein Millionenpublikum einschalten. Verdient der DFB Geld mit dem Frauenfußball?

Es ist für den DFB wie für die meisten Klubs eine Investition. Wir glauben aber daran, mit den beschriebenen Maßnahmen auf Sicht den Break Even schaffen zu können und für den Frauenfußball ein sich selbst tragendes Wirtschaftssystem aufzubauen.

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