»Nukleare Teilhabe« wie immer

Bundesregierung antwortet ausweichend auf Linke-Frage nach atomaren Aufrüstungsplänen in der EU

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die Grande Nation jüngst als Führungskraft einer eigenen atomaren Abschreckung der Europäischen Union ins Spiel gebracht. Denn das Land ist seit dem Austritt Großbritanniens die einzige Atommacht innerhalb der EU. Es verfügt über 280 einsetzbare nukleare Sprengköpfe.

Anlass seiner Offerte waren Äußerungen von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump gewesen, im Falle seines Wiedereinzugs ins Weiße Haus säumige Zahler in der Nato nicht mehr vor Russland schützen zu wollen. Bundeskanzler Olaf Scholz und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatten jedoch betont, der nukleare Schutzschirm der Nato stehe nicht zur Disposition. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) versicherte zudem, Deutschland werde weiter seine Verpflichtungen im Rahmen der nuklearen Teilhabe erfüllen. Das heißt konkret, dass die Bundesrepublik im »Ernstfall« die Trägersysteme für die am deutschen Luftwaffenstandort Büchel lagernden rund 20 US-Atomsprengköpfe bereitstellt.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler wollte von der Regierung wissen, ob es »konkrete Kooperationsangebote der britischen und/oder französischen Regierung bezüglich einer bi- oder trilateralen oder europäischen gemeinsamen Verfügung über Nuklearwaffen« gebe.

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Die Antwort von Katja Keul (Grüne), Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, die »nd« vorliegt, fällt vage aus. Grundsätzlich setze man weiter auf die nukleare Teilhabe innerhalb der Nato, heißt es in dem Schreiben. Denn solange es Atomwaffen gebe, sei der »Erhalt einer glaubwürdigen nuklearen Abschreckung für die Nato und für die Sicherheit Europas und Deutschlands unerlässlich«. Entscheidungen dazu würden »in enger Abstimmung mit den Bündnispartnern in den dafür verantwortlichen Gremien« getroffen.

Zu »Details der relevanten Prozesse« könne man keine Angaben machen, da sie aus Sicherheitsgründen den »verpflichtenden Geheimhaltungsregeln des Bündnisses« unterlägen, so Keul. Sie teilte aber mit, dass sich die Bundesregierung »im regelmäßigen und vertrauensvollen Austausch mit Alliierten zu Fragen der Abschreckung und Verteidigung, so auch mit der britischen und französischen Regierung«, befinde. Zu »Inhalten vertraulicher Gespräche mit anderen Staaten« äußere sich die Regierung aber grundsätzlich nicht.

Kathrin Vogler warnte mit Blick auf die Auskünfte: »Sicherheit vor dem nuklearen Inferno können nicht Atomwaffen, sondern nur atomare Abrüstung bieten. Statt immer neuen Spekulationen über eine Eurobombe brauchen wir einen Beitritt der Bundesrepublik zum Atomwaffenverbotsvertrag und einen Abzug der völkerrechtswidrig in der Bundesrepublik stationierten US-amerikanischen Atombomben.« Dies gelte umso mehr, als der russische Überfall auf die Ukraine »die Gefahr eines Atomkriegs dramatisch erhöht« habe, erklärte die Linke-Abgeordnete am Dienstag »nd«.

Zur Debatte über eine »Eurobombe« äußerte sich auch Florian Eblenkamp, Vorstandsmitglied der deutschen Sektion der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, ICAN). Er hält sie für »Zeitverschwendung«. Denn: »Europäische Atomwaffen sind technisch, völkerrechtlich und politisch nicht praktikabel.« Und selbst wenn es anders wäre: Sie würden die Sicherheit nicht erhöhen, »sondern zu Eskalation führen«, ist Eblenkamp überzeugt. Er forderte die Bundesregierung auf, ihre Nato-Partner zu »ermutigen, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterstützen und zumindest als Beobachter an den UN-Konferenzen teilzunehmen«. Zudem solle sie erklären, dass sie dem Vertrag »in Zukunft beitreten will«.

ICAN hatte den Verbotsvertrag bei den Vereinten Nationen maßgeblich auf den Weg gebracht und war dafür 2017 mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Das Abkommen trat am 22. Januar 2021 in Kraft, nachdem es von mehr als 50 Staaten ratifiziert worden war.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich, hat unterdessen Debatten über eine stärkere atomare Bewaffnung Deutschlands eine Absage erteilt. In diesen Zeiten müsse nicht nur verantwortlich gehandelt, sondern auch »verantwortlich geredet« werden, sagte er am Dienstag am Rande einer Konferenz der Partei im anhaltischen Halle. Für die Bundesrepublik gebe es zwei völkerrechtliche Grundlagen: den Atomwaffensperrvertrag und den Zwei-plus-Vier-Vertrag. Diese verböten Deutschland den Besitz von Massenvernichtungswaffen, betonte Mützenich.

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